174 Und mich verzehren seiner Sonne Gluten. Drum birg dich Aug’ dem Glanze ird’scher Sonnen! Hull’ dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen Und heilt den Schmerz, wie Lethes1 kühle Fluten. 11. Setzen Sie sich mit diesem romantischen Gedicht von Karoline von Günderrode auseinander: • Beschreiben Sie die Situation, die in dem Text dargestellt wird. • Analysieren Sie, was durch die Gegenüberstellung von Tag und Nacht erreicht wird. • Kommentieren Sie den Ton dieses Textes. • Deuten Sie die Aussage dieses Textes. SPÄTROMANTIK Der Mittelpunkt der Spätromantik (ab 1815) war Berlin, wo Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, Adelbert von Chamisso, Friedrich de la Motte Fouqué und andere wirkten. In der Phase der Spätromantik waren besonders die Novelle und die Erzählung beliebt; bei Hoffmann findet man eine Vorform der Kurzgeschichte. In der Spätromantik ist das Drama im engeren Sinn von geringerer Bedeutung. Kennzeichnend ist der Hang zum Unfertigen, zum Fragment, das zu einer eigenständigen Form kultiviert wurde. Bei E. T. A. (= Ernst Theodor Amadeus) Hoffmann (1776 – 1822) vollzog sich die entscheidende Wendung zu einem phantastischen Realismus. Hoffmann war es auch, der neben Goethe der deutschen Dichtung Weltgeltung verschaffte. Nachhaltig war sein Einfluss auf die Literatur in Frankreich, Russland und Amerika. E. T. A. Hoffmann war ein ausgezeichneter Jurist und Beamter, aber auch ein vielseitiger Künstler, der nicht nur dichtete, sondern auch zeichnete, malte und komponierte. Als Leiter des Bamberger Theaters dirigierte er seine eigene Oper Undine (1816) und gestaltete die Bühnenbilder. Er war der Begründer der Kriminalgeschichte (Das Fräulein von Scuderi 1819/1821) und führte die romantische Ironie auf ihren Höhepunkt (Lebensansichten des Katers Murr 1820/1822). Hoffmann ist der Darsteller der Alpträume, der Nachtseiten der Natur, der Vielschichtigkeit seelischer Vorgänge. Neben dem Grotesken steht das Abgründige der menschlichen Existenz. In Hoffmanns Erzählungen und Romanen findet sich das Doppelgängermotiv (Die Elixiere des Teufels 1815/1816), ebenso wie der Einbruch des Wunderbaren in den Alltag (Der goldene Topf 1814). Zur Spätromantik gehört auch Joseph von Eichendorff (1788 – 1857), der mit seinen liedhaften Gedichten am volkstümlichsten war. In seiner Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts (1822/1823) wollte er durch eingestreute Lieder eine Verbindung von Epik und Lyrik im Sinn der Universalpoesie herstellen. Eichendorffs Gedichte kommen dem Volkslied nahe und sind häufig vertont worden, z. B.: O Täler weit, o Höhen und Wem Gott will rechte Gunst erweisen. Die romantische Landschaft, wie sie in Gedichten und Erzählungen immer wieder dargestellt wird, ist nicht das Abbild einer bestimmten Gegend, etwa der schlesischen Hügellandschaft, der Heimat Eichendorffs, sondern eine poetische, rein gedachte, eine ideale Landschaft. 12 14 1 Lethe: einer der Flusse der Unterwelt, trinkt man aus ihrem Wasser, verliert man die Erinnerung Antonin Mánes (1784 – 1843), Belvedere, 1816. Berliner Romantik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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