ROMANTIK | 1795 – 1835 169 das nicht.“ Sprach das Männchen: „Was giebst du mir, wenn ich dir‘s spinne?“ „Mein Halsband“, sagte das Mädchen. Das Männchen nahm das Halsband, setzte sich vor das Rädchen, und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war die Spule voll. Dann steckte es eine andere auf, und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war auch die zweite voll: und so ging‘s fort bis zum Morgen, da war alles Stroh versponnen und alle Spulen waren voll Gold. Bei Sonnenaufgang kam schon der König und als er das Gold erblickte, erstaunte er und freute sich, aber sein Herz ward nur noch goldgieriger. […] 4. Untersuchen Sie das Märchen Rumpelstilzchen aus der Sammlung der Brüder Grimm auf seine inhaltlichen und sprachlichen Merkmale: • Lesen Sie die Langfassung dieses Textes (siehe Internet-Arbeitsblatt) und fassen Sie den Inhalt des Märchens zusammen. • Charakterisieren Sie den König und sein Verhalten. (Vgl. Formen der Charakterisierung S. 451). • Erläutern Sie typische inhaltliche und sprachliche Aspekte eines Märchens anhand dieser Textstelle. 5. Deuten Sie das Ende des Märchens. Die Romantiker wollten das Märchen nicht nur bewahren und vermitteln, sondern sie verwendeten die Märchenform auch für eigene Dichtungen. Viele romantische Dichter, u. a. Novalis, Tieck, Clemens Brentano, Hauff, E.T.A. Hoffmann, haben Märchen (Kunstmärchen) geschrieben, weil sich im Märchen das Wunderbare ereignen kann und die Wirklichkeit eine Entgrenzung ins Unendliche erfährt. Schon im Mittelalter gab es Geschichten, die bewusst an Märchenmotive anknüpften. Kunstmärchen Im Gegensatz zum Volksmärchen ist die Verfasserin bzw. der Verfasser eines Kunstmärchens bekannt. Die Autorinnen und Autoren bedienen sich der Muster des Volksmärchens, schreiben aber eine eigenständige, künstlerisch gestaltete Erzählung. Mit der Form des Kunstmärchens wurden unterschiedliche Ziele verfolgt. So wollte Ludwig Tieck (1773 – 1853) vor allem das Unheimliche zeigen, während Novalis (1772 – 1801) im Märchen ein Mittel zur Darstellung der romantischen Philosophie sah. Die Dichter der Hochromantik wandten sich in ihren Kunstmärchen wieder stärker dem Inhalt und der Sprache des Volksmärchens zu. Die Stoffe für ihre Kunstmärchen entnahmen die Romantiker zum Teil alten Texten, zum Teil sind sie erfunden. Der Aufbau ist kunstvoll und die Sprache bewusst gestaltet. In Ludwig Tiecks Kunstmärchen Der blonde Eckbert, entstanden 1797, erzählt Bertha, die Frau des Ritters Eckbert, ihrem Mann und dem gemeinsamen Freund Walther ihr merkwürdiges Schicksal. Eines Tages geht sie, noch nicht erwachsen, von ihren Zieheltern, einem Hirtenehepaar, weg: 15 20 Von Dichtern künstlerisch gestaltete Märchen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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