Killinger Literaturkunde, Schulbuch

138 Im Verlauf des Gesprächs greift der Teufel das Kernproblem menschlichen Strebens auf, nämlich die Suche nach der Wahrheit, und verwischt die Grenze zwischen Objektivem und Subjektivem: Deine Neigung, Freund, dem Objektiven, der sogenannten Wahrheit nachzufragen, das Subjektive, das reine Erlebnis als unwert zu verdächtigen, ist wahrhaft spießbürgerlich und überwindenswert. Du siehst mich, also bin ich dir. Lohnt es zu fragen, ob ich wirklich bin? Ist wirklich nicht, was wirkt, und Wahrheit nicht Erlebnis und Gefühl? Was dich erhöht, was dein Gefühl von Kraft und Macht und Herrschaft vermehrt, zum Teufel, das ist die Wahrheit, – und wär es unterm tugendlichen Winkel gesehen zehnmal eine Lüge. 13. Untersuchen Sie die Diskussion von Faust und dem Teufel über die Wahrheit: • Erläutern Sie, wie der Teufel Wahrheit definiert und beschreiben Sie, welcher Aspekt für ihn der wichtigste ist. 14. Diskutieren Sie diese Zugänge im Hinblick auf Entwicklungen in der virtuell geprägten Welt (Medienkonsum, „objektive“ Nachrichtensendungen, Blogs etc.). • Beschreiben Sie, wie und von wem Inhalte in den digitalen Medien transportiert werden. • Untersuchen Sie, welche Rolle gerade soziale Medien bei der Wahrheitsfindung spielen. • Erörtern Sie, welche Möglichkeiten der Einzelne, die Einzelne hat, den Wahrheitsgehalt von Inhalten aus dem Internet zu überprüfen. Ein anderes Thema, das die beiden diskutieren, ist die Zeit, die endliche, endlos scheinende Zeit des Menschen, und was man damit anfangen kann. So meint der Teufel: Überall, wo das Stundglas gestellt und Zeit gegeben ist, unausdenkbare, aber befristete Zeit und ein gesetztes Ende, da sind wir wohl auf dem Plan, da blüht unser Weizen. Zeit verkaufen wir, – sagen wir einmal vierundzwanzig Jahre, – ist das abzusehen? Ist das eine gehörige Masse? Da mag einer leben auf den alten Kaiser hin wie ein Viehe und die Welt in Erstaunen setzen als ein großer Nigromant1 durch viel Teufelswerk; da mag einer je länger je mehr aller Lahmheit vergessen und hoch illuminiert über sich selbst hinaussteigen, ohne sich selber doch fremd zu werden, [...] dass er sich schlecht und recht für einen Gott halten mag in gewissen ausgelassenen Augenblicken. Wie kommt so einer dazu, sich um den Zeitpunkt zu kümmern, wo es Zeit wird ans Ende zu denken! Nur, das Ende ist unser, am Ende ist er unser, das will ausgemacht sein, und nicht bloß schweigend, so verschwiegen es sonst auch zugehen mag, sondern von Mann zu Mann und ausdrücklich. Der Teufel will nicht bloß eine Spanne Zeit liefern, er schildert sie inhaltlich genauer: Aufschwünge liefern wir und Erleuchtungen. Erfahrungen von Enthobenheit und Entfesselung, von Freiheit, Sicherheit, Leichtigkeit, Macht- und Triumphgefühl, dass unser Mann seinen Sinnen nicht traut. – 15. Diskutieren Sie die Komponenten des Teufelspakts. 5 10 15 20 1 Nigromant: Zauberer, Magier Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy MjU2NDQ5MQ==