12 Der junge Ritter wurde zuerst als Page von Frauen an einem fremden Hof erzogen, dann als Knappe militärisch ausgebildet. Die Frau wurde als das feinere, vollkommenere Geschöpf angesehen und war deshalb berechtigt, den Ritter zu erziehen. Im Hochmittelalter gehörte auch die Unterweisung in höfischem Betragen und in Musik zur Ausbildung. Die Schwertleite (der Ritterschlag) machte den Knappen zum Ritter. In den Kreuzzügen entwickelte der Ritterstand ein übernationales Standesbewusstsein; er fühlte sich als Streitmacht Gottes und deswegen über alle anderen Menschen erhaben. Die Blütezeit des Ritterstandes fällt in die Regierungszeit Kaiser Friedrich Barbarossas (1152 – 1190). Auf dem Zusammengehörigkeitsgefühl des Ritterstandes beruhte seine gesellschaftliche, aber auch seine kulturelle Bedeutung. Der Ritter löste im 12. Jahrhundert das Mönchstum als Träger der Kultur ab. Das Schwergewicht verlagerte sich von den Klöstern in die Burgen. Könige und Fürsten übten ihre Herrschaft nicht mehr nur auf Reisen durch ihre Lande aus, sondern errichteten ständige Residenzen, die eine große Bedeutung als Kulturstätten gewannen. Die verfeinerte höfische Lebensart und Kultur entwickelte sich zuerst in Frankreich und kam von dort in den deutschen Raum. Die kulturellen Zentren lagen im süddeutschen Raum: am staufischen Hof in Schwaben, an den Höfen in Bayern, Ostfranken und Österreich. Höfische Literatur Neben die religiöse Literatur der Mönche und die Volksdichtung (Lieder, Schwänke1) trat seit 1170 die höfische Literatur. Die Dichter der höfischen Gesellschaft verwendeten eine Sprachform, die frei von derben Ausdrücken und Dialektwörtern war. Dadurch konnte sie in weiten Teilen des deutschen Sprachraums verstanden werden und wurde zur ersten überregionalen Dichtersprache. Sie verfiel jedoch nach etwa 1250 mit dem Niedergang des Ritterstandes und seiner Dichtung. Hauptkennzeichen der höfischen Dichtung: 1. Sie war Standesdichtung, d. h., sie wurde Adeligen vorgetragen und handelte vom Leben der Adeligen. 2. S ie war idealistisch, d. h., sie zeigte den Ritter als Idealtyp auf seinem Weg, ein vollkommener Mensch zu werden. 3. S ie war streng formal, d. h., Sprache, Vers, Reim, Aufbau waren ebenso festgelegt wie die Gattungsformen. Die meisten Texte waren nicht individuell geprägt. Die vorherrschenden Formen der mittelhochdeutschen höfischen Dichtung waren Epos, Verserzählung und Minnelied. Die weitaus größte Zahl der handgeschriebenen Bücher war jedoch in lateinischer Sprache abgefasst und behandelte religiöse Inhalte. Der höfische Dichter trug seine Werke der Adelsgesellschaft aus dem Gedächtnis in einer Art Sprechgesang vor und begleitete sich selbst auf einer Fiedel oder einer Laute. Manchmal entstammte er dem Rittertum und betrieb das Dichten nebenher; meist musste er aber als „fahrender Sänger“ von seiner Kunst leben, weil er nicht wohlhabend war. Dann zog er von einer Burg zur anderen und war von der vielfach großzügigen Unterstützung der Herren abhängig. Oft bedeutete seine Ankunft willkommene Abwechslung im Leben auf der Burg, besonders im Winter, und gab Anlass zu Festen. Der höfische Dichter regte mit seinem Vortrag die Phantasie an und konnte von den Ereignissen in der Welt berichten. Da der fahrende Sänger oder Spielmann in keinem Dienstverhältnis stand, war er zwar äußerlich unabhängig, aber auch schutzlos und ohne Sicherheit. Selbst Walther von der Vogelweide klagte über die materielle Not in seiner Wanderzeit. Fürstenhöfe als Zentren der Kultur 1 Schwank: volksnahe Erzählung oder ein entsprechendes Theaterstück, meist humorvoll Rolle des höfischen Dichters Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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