STURM UND DRANG | 1770 – 1785 119 14. Untersuchen Sie typische Elemente des Sturm und Drangs anhand dieser Textabschnitte: • Fassen Sie den Inhalt dieser Passagen zusammen. • Analysieren Sie die sprachlichen Merkmale dieser Stellen (z.B. Satzbau, Wortwahl, Bildlichkeit der Sprache). Karl Moor steht zuletzt vor den Trümmern seiner Existenz und einer in Frage gestellten Welt: Bei seiner Heimkehr entdeckt er den fast verhungerten Vater, der auf die Nachricht, sein Sohn sei ein Räuberhauptmann, stirbt. Der böse Bruder Franz erhängt sich, Amalie, die Braut Karls, verlangt von ihm den Tod und wird von ihm erstochen. Er selber erkennt seinen Weg als Irrweg und stellt sich den Gerichten, lässt jedoch sein Kopfgeld einem armen Tagelöhner zugutekommen. KARL: O über mich Narren, der ich wähnte, die Welt durch Gräuel zu verschönern und die Gesetze durch Gesetzlosigkeit aufrechtzuhalten! Ich nannte es Rache und Recht – Ich maßte mich an, o Vorsicht, die Scharten1 deines Schwerts auszuwetzen und deine Parteilichkeiten gutzumachen – da steh ich am Rand eines entsetzlichen Lebens und erfahre nun, dass zwei Menschen wie ich den ganzen Bau der sittlichen Welt zugrunde richten würden. 15. Untersuchen Sie, wie Karl Moor in den vorliegenden Textausschnitten charakterisiert wird. 16. Verfassen Sie als ehemaliger Jugendfreund einen Nachruf auf den Räuber Karl Moor und stellen Sie darin u.a. seine positiven Eigenschaften seinen Fehlern gegenüber. Wie unterschiedlich die zeitgenössischen Literatur- und Theaterkritiker Schillers Die Räuber einschätzten, zeigen zwei Besprechungen aus den Jahren 1781 und 1785: Christian Friedrich Thimme in der Erfurtischen Gelehrten Zeitung (24. Juli 1781): Eine Erscheinung, die sich unter der unübersehbaren Menge ähnlicher Sächelchen gar sehr auszeichnet, wahrscheinlich noch fortdauern wird, wenn jene schon in ihr Nichts wieder zurückgegangen sind, noch ehe sie anfingen, recht zu leben. Ich glaube, dass sie deswegen unsere besondere Aufmerksamkeit verdient. Volle, blühende Sprache, Feuer in Ausdruck und Wortfügung, rascher Ideengang, kühne, fortreißende Phantasie, einige hingeworfene, nicht genug überdachte Ausdrücke, poetische Deklamationen2 und eine Neigung, nicht gern einen glänzenden Gedanken zu unterdrücken, sondern alles zu sagen, was gesagt werden kann, alles das charakterisiert den Verfasser als einen jungen Mann, der bei raschem Kreislauf des Bluts und einer fortreißenden Einbildungskraft ein warmes Herz voll Gefühl und Drang für die gute Sache hat. Haben wir je einen deutschen Shakespeare zu erwarten, so ist es dieser. 50 Zeitgenössische Kritik 5 10 1 Scharte: schadhafte Einkerbung einer Klinge 2 Deklamation: kunstgerechter Vortrag Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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