116 Der durch seine Balladen berühmt gewordene Gottfried August Bürger (1747 – 1794) kehrte die traditionelle Fürstenhuldigung in eine Anklage um. Gottfried August Bürger: Der Bauer (1775) An seinen durchlauchtigen Tyrannen Wer bist du, Fürst, dass ohne Scheu zerrollen mich dein Wagenrad, zerschlagen darf dein Ross? Wer bist du, Fürst, dass in mein Fleisch dein Freund, dein Jagdhund, ungebleut darf Klau’ und Rachen hau’n? Wer bist du, dass durch Saat und Forst das Hurra deiner Jagd mich treibt, entatmet, wie das Wild? – Die Saat, so deine Jagd zertritt, was Ross und Hund und du verschlingst, das Brot, du Fürst, ist mein. Du, Fürst, hast nicht, bei Egg’ und Pflug, hast nicht den Erntetag durchschwitzt. Mein, mein ist Fleiß und Brot! – Ha! du wärst Obrigkeit von Gott? Gott spendet Segen aus; du raubst! Du nicht von Gott, Tyrann! Der Bauer spricht zu seinem Grundherrn. Das lyrische Ich macht sich zum Sprecher des Bauern. Beweggründe waren die Lage der Bauern, die Bürger als Amtmann genau kannte, aber auch die „Fürstenbeschimpfung“, die in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zum Topos1 wird. 12. Interpretieren Sie Bürgers Text: • Geben Sie die Kritik des lyrischen Textes wieder. • Analysieren Sie das Gedicht formal. • Untersuchen Sie die sprachliche Gestaltung. Erklären Sie unter anderem, welchem Wortfeld die meisten Verben entnommen sind. • Erläutern Sie, welche Rolle das lyrische Ich hat und zu wem es wie und warum spricht. Berücksichtigen Sie dabei auch den Titel. 13. Verfassen Sie anschließend zu zweit eine Anklage nach dem Vorbild Gottfried August Bürgers. Dabei setzen Sie sich mit einem Thema auseinander, das Sie persönlich empört (aufregt). Denken Sie zum Beispiel an das Schulsystem, die Klimakrise, Rassismus in der Gesellschaft. Umkehr des Huldigungsgedichts 2 4 6 8 10 12 14 16 18 1 Topos: stereotypes, vorgeprägtes Bild, Beispiel bzw. Motiv Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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