HOCHMITTELALTER | 1170 – 1230 11 sein konnte. Die adeligen Ritter galten grundsätzlich als gleich, doch die sozialen Unterschiede waren sehr groß. Auf der untersten Stufe des Lehenswesens stand der Ministeriale, ein niedriger Dienst-Adeliger, der Reiterdienst versah, aber keine weiteren Mittel für den Lehensdienst aufbringen konnte. Viele Dichter stammten aus Ministerialenfamilien. Der Bauernstand bildete die wirtschaftliche Grundlage der Gesellschaft und war durch große soziale Unterschiede gekennzeichnet. Unter ihnen gab es Freie (in Tirol und in der Schweiz); Zinsleute, die zwar persönlich frei waren, aber Abgaben zu entrichten hatten; Hörige, die Frondienste und Abgaben leisten mussten; Leibeigene, die als Eigentum ihres Herrn galten. Die bäuerliche Bevölkerung, die Masse des Volkes, konnte sich der Abhängigkeit nur durch die Flucht in die Städte entziehen, die im 12. und 13. Jahrhundert stark wuchsen. Wer in die Stadt zog, musste durch Fleiß und Geschick in einem Handwerk zu seinem Lebensunterhalt kommen. Eine neue Schicht entstand: das Bürgertum. Auf dem Markt wurden handwerkliche Erzeugnisse gegen Nahrungsmittel getauscht. Neben dem Handwerk entwickelte sich der Handel – eine arbeitsteilige Gesellschaft entstand. Auch die Geistlichkeit war in das Lehenssystem eingebunden. Äbte und Bischöfe waren Lehensmänner des Königs, sie waren aber auch dem Papst zu Gehorsam verpflichtet. Die Auseinandersetzung zwischen der weltlichen Autorität, dem König, und der geistlichen Autorität, dem Papst, führte zu großen Spannungen, die sich besonders an der Ernennung von Bischöfen entzündeten (Investiturstreit). Der geistliche Stand war gegliedert in Mönche (in Klöstern) und Weltgeistliche. Eine besondere Gruppe bildeten abgesprungene Theologen, die als „Vaganten“ („Fahrende“) zu Trägern einer eigenen Literaturform wurden. Sie verfassten Trink-, Liebes- und Tanzlieder, Satiren und Schwänke in realistisch-volkstümlichem Ton. Ihre Vorbilder waren Ovid, Horaz und Vergil (Vagantenlyrik). Bedeutungsentwicklung frouwe – wîp: Im Zuge der Sprachentwicklung kommt es immer wieder zu Bedeutungsveränderungen. Dieses Phänomen lässt sich gut am folgenden Beispiel beobachten: frouwe (mhd): (gehobene) Frau, Dame wîp (mhd): Frau (neutral, nicht abwertend) Frau (nhd): Frau (neutral) Weib (nhd): Frau (abwertend) Seit dem Mittelalter haben diese Begriffe eine deutliche Bedeutungsverschiebung erfahren. DER RITTER UND SEINE WELT Den höfischen Ritter kennzeichnete eine Reihe von Tugenden (= sittlich wertvolle Eigenschaften) und Wertvorstellungen. An oberster Stelle standen „êre“ (ritterliche Ehre), „zuht“ (Selbstdisziplin) und „mâZe“ (Maßhalten der Leidenschaften). Die Zugehörigkeit zur höfischen Gesellschaft führte zu einem Hochgefühl, zum „hohen muot“. Der Begriff hat viele Bedeutungen und ist am ehesten mit Selbstbewusstsein zu umschreiben. Mit „vröude“ meinte man die Lust am Leben, der das Bewusstsein, dass der Mensch sündig ist, und die Furcht vor ewigen Strafen entgegenstanden. Die niedrige Lebenserwartung, die eingeschleppten Krankheiten und Seuchen sorgten für ein ständiges „memento mori“1. 1 Memento mori: Denke daran, dass du sterben musst (Bewusstsein des Todes, der Vergänglichkeit) Staat und Kirche Wertesystem Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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