Killinger Literaturkunde, Schulbuch

STURM UND DRANG | 1770 – 1785 109 5. Gestalten Sie eine moderne Form dieses Textes als Rap für heutige Jugendliche: • Legen Sie die Originalversion Ihrem Rap zugrunde und ändern Sie nur, was notwendig ist, um den Text an den typischen Rhythmus eines Raps anzupassen. • Unterlegen Sie diesen Text mit einem geeigneten Rhythmus. • Tragen Sie Ihre Version des Raps vor der Gruppe vor. Der Prometheus-Hymnus wurde ohne Goethes Zustimmung veröffentlicht und in den Streit zwischen philosophischen Freigeistern und strenggläubigen Theologen gezogen. Das Gedicht ist jedoch nicht zureichend gedeutet, wenn man nur die Auflehnung gegen Gott sieht. Prometheus versinnbildlicht mindestens ebenso sehr den Protest der Jugend gegen die Väter der Aufklärung, den Protest gegen den Rationalismus und die Unterordnung unter ein streng disziplinierendes System. Prometheus ist das Originalgenie der Sturm-und-Drang-Zeit, stark, unabhängig, sich keiner überkommenen Gesetzlichkeit unterwerfend, die Welt verändernd. Goethe wollte sich mit dem Gedicht nicht in einen theologischen Streit einmischen, er folgte vielmehr einem Gedanken des englischen Philosophen Antony Ashley-Cooper, Earl of Shaftesbury (1671 – 1713), wonach der Dichter ein „zweiter Schöpfer, ein wahrer Prometheus“ sei. So schrieb Goethe 1771 im schon erwähnten Aufsatz Zum Schäkespears Tag über den englischen Dichter: „[Shakespeare] wetteiferte mit dem Prometheus, bildete ihm Zug vor Zug seine Menschen nach [...] und dann belebte er sie alle mit dem Hauch seines Geistes.“ Dichter, Originalgenie und Prometheus werden zu einer einzigen Vorstellung von einem dynamischen Menschen. BRIEFROMAN Der Briefroman war im 18. Jahrhundert sehr beliebt: Das lesende Publikum kannte den rührseligen Briefroman Pamela des englischen Schriftstellers und Moralisten Samuel Richardson (1740, deutsch 1772), und vor allem die Liebesgeschichte Die neue Heloise oder Briefe zweier Liebenden (Originaltitel: Julie ou La Nouvelle Héloïse, Lettres de deux Amans) von Jean-Jacques Rousseau (deutsch 1761 bis 1766, vgl. S. 102). Ihnen folgten zahlreiche deutsche Nachahmer. Johann Wolfgang von Goethe: Die Leiden des jungen Werthers (1774) 1774 erschienen Die Leiden des jungen Werthers von Johann Wolfgang von Goethe. Der 25-Jährige hatte sich diesen ersten Roman in vier Wochen von der Seele geschrieben. Das Werk hatte einen so durchschlagenden Erfolg, dass Goethe zeit seines Lebens „der Dichter des Werther“ blieb. Die Zeit der Entstehung des Werther-Romans wird im literarischen Bereich auch als Empfindsamkeit bezeichnet: Das gebildete Bürgertum, vor allem die Jugend, durchlebte eine Phase verstärkter Selbstbeobachtung und Analyse der eigenen Gefühle. Nicht äußeren Vorgängen galt das Interesse, sondern man verfeinerte die Fähigkeit der Selbstempfindung bis zur Empfindsamkeit. Werther ist also das Abbild eines Zeittyps, und der Erfolg des Romans ist daher verständlich. Die Handlung wird in Form von Briefen Werthers an seinen Freund Wilhelm dargestellt. Da es keine Antwortbriefe gibt, erhalten Werthers Briefe den Charakter von Tagebuchaufzeichnungen. Die Briefform ermöglicht eine subjektbezogene Perspektive: Der Inhalt besteht vor allem aus Selbstbeobachtung und Analyse der Gefühle. Werther ist kein vor Kraft strotzendes Originalgenie wie die Helden der Sturm-und-Drang-Dramen, sondern ein Genie ohne Kraft und ohne Entschlossenheit. Seine überschwängliche Empfindsamkeit macht ihn innerlich reich, aber auch sehr verletzbar. Er ist seinen wechselnden Stimmungen widerstandslos ausgeliefert. Literarische Vorbilder Analyse der Gefühle Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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