Mathematik verstehen 6, Schulbuch

270 13 RECHNEN MIT WAHRSCHEINLICHKEITEN Der Satz von Bayes L Wir betrachten zwei Ereignisse ​E​1 ​und ​E​2 ​​eines Zufallsversuchs. Bekannt sind: • die Wahrscheinlichkeit ​P (​E​1)​​und damit ​P (¬ ​E​1)​,​ • die bedingten Wahrscheinlichkeiten ​P (​E​2​ 1 ​E ​1)​ ​ und ​P (​E​2 ​1 ¬ ​E ​1)​.​ Das nebenstehende vereinfachte Baumdiagramm stellt die schrittweise Prüfung des Eintretens der Ereignisse dar. Wir untersuchen jetzt, ob man mit Hilfe der bekannten Wahrscheinlichkeiten die „umgekehrte“ bedingte Wahrscheinlichkeit P​ (​E​1​ 1 ​E ​2​)​berechnen kann. • Zuerst ermitteln wir anhand des Baumdiagramms die Wahrscheinlichkeit, dass E​ ​2 ​eintritt: P​ (​E ​2)​ = P (E​ ​1​ ? E​ ​2​) ​+ P (¬ ​E ​1​ ? E​ ​2​) ​= P (E​ ​1​) ​· P (E​ ​2 ​1 E ​1​) ​+ P (¬ ​E ​1​) ​· P (​E​2 ​1 ¬ ​E ​1)​ • Nach dem Satz von der bedingten Wahrscheinlichkeit erhält man, falls P​ (​E​2​) ≠ 0​: P​ (​E ​1 ​1 E ​2)​ = ​ P ​(E​ ​1​ ? E​ ​2​)​ __ P ​(​E ​2​)​ ​= ​ P ​(​E ​1​) ​· P (​E​2​ 1 E​ ​1)​ ___ P ​(E​ ​2​)​ ​= ​ P ​(E​ ​1​) ​· P (​E​2​ 1 E​ ​1)​ ______ P ​(E​ ​1​) ​· P (​E​2​ 1 E​ ​1)​ + P ​(¬ E​ ​1​) ​· P (​E​2 ​1 ¬ ​E ​1)​ ​ Damit ergibt sich folgender Satz, der auf den Engländer Thomas Bayes (1702-1761) zurückgeht. Satz von Bayes Für Ereignisse ​E 1 ​und ​E 2 ​eines Zufallsversuchs gilt: P (​E ​1 ​1 ​E ​2)​ = ​ P (​E ​1​) · P (​E​2 ​1 ​E ​1​) ___ P (​E ​2​) ​= ​ P (​E ​1​) · P (​E​2 ​1 E​ ​1​) ______ P (​E ​1​) · P (​E​2 ​1 ​E ​1​) + P(¬​E​1​) · P (​E​2 ​1 ¬ ​E ​1​) ​ (sofern ​P (​E​2​) ≠ 0)​ BEMERKUNG Obwohl im obigen Baumdiagramm ​E​1 ​vor ​E​2 ​gezeichnet ist, setzt die bedingte Wahrscheinlichkeit ​P (​E​2 ​1 E ​1​)​i.A. nicht voraus, dass ​E​1 ​zeitlich vor ​E​2 ​liegt. Anwendung: Ergebnisse von medizinischen Tests interpretieren L Um festzustellen, ob eine Person an einer bestimmten Krankheit leidet, wird häufig ein medizinischer Test durchgeführt. Wir nehmen an, eine Person wird zufällig aus der Bevölkerung ausgewählt und ein Test zur Erkennung einer bestimmten Krankheit durchgeführt. Wir betrachten folgende Ereignisse: K: Person leidet an der Krankheit Pos: Test ist positiv (zeigt Krankheit an) ¬ K: Person leidet nicht an der Krankheit Neg: Test ist negativ (zeigt Krankheit nicht an) Medizinische Tests arbeiten in der Regel nicht absolut zuverlässig. Der Hersteller eines solchen Tests gibt daher folgende zwei Gütekriterien für sein Testverfahren an: • die Sensitivität = die Wahrscheinlichkeit P​ (Pos 1 K)​, dass die Testperson ein positives Testergebnis erhält, wenn sie krank ist. • die Spezifität = die Wahrscheinlichkeit ​P (Neg 1 ¬ K)​, dass die Testperson ein negatives Testergebnis erhält, wenn sie nicht krank ist. Nach Durchführung des Tests stellt sich die Testperson abhängig von ihrem Testergebnis möglicherweise besorgt eine der beiden folgenden Fragen: • Mit welcher Wahrscheinlichkeit bin ich tatsächlich krank, wenn mein Test positiv ist? Gefragt ist hier also die bedingte Wahrscheinlichkeit ​P (K 1 Pos)​. • Mit welcher Wahrscheinlichkeit bin ich tatsächlich nicht krank, wenn mein Test negativ ist? Gefragt ist hier die bedingte Wahrscheinlichkeit ​P (¬ K 1 Neg)​. P(¬ E1) P(E1) ¬ E1 E1 P(E2 | ¬ E1) P(E2 | E1) E2 E2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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