erleben und gestalten 3 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

88 Kolonialismus Imperialismus Expansionspolitik der europäischen Mächte Im Verlauf des 19. Jh. wollten viele europäische Staaten ihren Einflussbereich vergrößern. Diese Expansionspolitik wird Imperialismus genannt. Sie sahen die einheimische Bevölkerung als minderwertig an (Rassismus) und wollten ihre Gebiete erobern. Damit versuchten sie, einen „Platz an der Sonne“ zu erhalten, wie der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck meinte. Die Industrialisierung spielte auch eine Rolle. Die Staaten benötigten nun neue und mehr Rohstoffe, beispielsweise Baumwolle. Außerdem suchten sie nach neuen Absatzmärkten, also nach Ländern, in denen sie ihre Produkte verkaufen konnten. Da viele europäische Mächte die gleichen Ziele hatten, kam es zu Spannungen und Kriegen. Besonders umkämpft war der afrikanische Kontinent. Machtverhältnisse in Europa Die Konflikte in den Kolonien wirkten sich auch auf die Verhältnisse zwischen den europäischen Staaten aus. Beispielsweise entschied sich Italien 1882 einem Bündnis mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn beizutreten (Dreibund). Unmittelbarer Anlass war der Einmarsch Frankreichs in Tunesien, an dem auch Italien Interesse gezeigt hatte. Italien erhoffte sich vom Dreibund eine Unterstützung seiner kolonialen Ziele in Afrika. Berliner Konferenz 1884/85 trafen sich die Kolonialmächte zur sogenannten Berliner Konferenz. Dort wurden neue Grenzen für Afrika vereinbart. Allerdings wurden die traditionellen Siedlungsgrenzen, die Sprachen und Kulturen der afrikanischen Bevölkerung nicht berücksichtigt. Außerdem wurde festgelegt, dass das Recht auf eine Kolonie nur dann besteht, wenn ein Staat das jeweilige Gebiet auch tatsächlich beherrscht. Daraufhin ergab sich ein regelrechter Wettlauf um die noch nicht unterworfenen Gebiete. Imperialismus und Erster Weltkrieg Die Spannungen zwischen den europäischen Mächten in den Kolonialreichen waren eine wesentliche Ursache für den Ersten Weltkrieg. Mehrfach war es vor 1914 fast zu einem Krieg gekommen, beispielsweise zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich bei Streitigkeiten um Marokko. Außerdem entfernte sich Italien von seinen Bündnispartnern Deutsches Reich und Österreich-Ungarn, als es 1911 Krieg gegen das Osmanische Reich führte. O Erster Weltkrieg, S. 116 „Jedem sein Teil“, Französische Karikatur auf den deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck bei der Berliner Konferenz, Holzstich, 1885 P Expansion: Ausdehnung ÷ Die wichtigsten Kolonialmächte waren im 19. Jh. Spanien, Portugal, Großbritannien, Frankreich, die Niederlande, das Russische Reich und die USA. Dazu kamen Belgien, Italien und das Deutsche Reich. ÷ Tunesien war seit dem 16. Jh. eine Provinz des Osmanischen Reichs. Frankreich nutzte eine Finanzkrise aus und marschierte 1881 in Tunesien ein. Tunesien wurde Teil des französischen Kolonialreichs. Erst 1956 wurde Tunesien unabhängig. Ein Beispiel für eine Auswirkung von Kolonialismus in Afrika: Zulu-Frauen und Mädchen tragen europäische Kleidung in einem Dorf im Königreich Zululand (heute in Südafrika), Foto, 19. Jh. ÷ Die Beherrschung des Gebietes sollte vor Ort erkennbar sein, beispielsweise durch die Errichtung von Handelsstationen oder Missionsposten. ÷ Das Deutsche Reich sah im Osmanischen Reich einen Partner. Im Ersten Weltkrieg kämpften das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich auf einer Seite. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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