76 Industrialisierung Politische Strömungen im 19. Jh. Politische Lösungsansätze Neben den genannten Lösungsversuchen für die „soziale Frage“ wurden neue Theorien entwickelt, wie das Zusammenleben einer Gesellschaft organisiert werden könnte. Drei große Strömungen entstanden: der Sozialismus, der Liberalismus und der Konservativismus. Die Grundgedanken dieser Strömungen sind bis heute wirksam und Basis der meisten europäischen Parteien. Sozialismus Der ab dem 18. Jh. entstehende Sozialismus forderte eine sozialistische Gesellschaft. Diese sollte auf den Grundwerten Freiheit, Gleichheit, Solidarität und Gerechtigkeit aufgebaut sein. Erreicht werden sollte eine gerechtere Verteilung von Vermögen (Kapital). Aus den Arbeitervereinen und Gewerkschaften entwickelten sich die ersten politischen Parteien. In Österreich war dies beispielsweise die 1889 gegründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei. Kommunismus Die Ideen des Sozialismus wurden weiterentwickelt. Der Kommunismus vertrat die gleichen Grundgedanken, hatte aber radikalere Forderungen. Karl Marx und Friedrich Engels meinten beispielsweise, dass eine Verbesserung der Situation des Proletariats nur durch eine „klassenlose“ Gesellschaft zu erreichen sei. Die Kapitalistinnen und Kapitalisten sollten die Arbeiterschaft nicht länger ausbeuten und Privateigentum sollte abgeschafft werden. Damit könnten die Unterschiede zwischen Arm und Reich aufgehoben werden. Ihre Ideen schrieben Marx und Engels im „Manifest der Kommunistischen Partei“ nieder. Liberalismus Der Liberalismus ist eine politische Bewegung, die die größtmögliche Freiheit aller Menschen zum Ziel hat. Er steht für die Einhaltung der Grundrechte (Menschenrechte, Meinungs- und Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Gleichheit aller Menschen). Der Einfluss des Staates auf das Privatleben soll so gering wie möglich sein. Vertreterinnen und Vertreter des Liberalismus sind gegen Missbrauch von Macht und Herrschaft, gegen Zensur und jegliche Willkür. Gefordert wurden im 19. Jh. daher eine Verfassung, die Gewaltenteilung, das Wahlrecht und die Religionsfreiheit. Träger dieser politischen Bewegung war das Bürgertum, das eine Gleichberechtigung dem Adel gegenüber anstrebte. Die Heimatländer des Liberalismus sind England, Frankreich und die USA. Liberalismus gibt es in verschiedenen Bereichen. Der Wirtschaftsliberalismus vertritt die Idee, dass sich die Wirtschaft selbst über Angebot und Nachfrage steuert und der Staat so wenig wie möglich in das Wirtschaftsleben eingreift. Die Bürgerin bzw. der Bürger soll ein Recht auf privates Eigentum haben, nach Gewinn streben und im Wettstreit mit anderen stehen dürfen. Konservativismus Im 18. Jh. begannen sich die feudalen Gesellschaftsstrukturen aufzulösen. Adel und Geistlichkeit setzten sich für die Erhaltung bestehender Strukturen ein. Sie wollten ihre Vorrechte bewahren und die ständisch gegliederte Gesellschaft beibehalten. Aus ihrer Sicht war diese gottgegeben und sollte nicht verändert werden. Gemeinsam mit Staatsbeamten, Gewerbetreibenden und der Bauernschaft wurden sie zu Trägern einer neuen politischen Bewegung – des Konservativismus. Das konservative Weltbild wird von Begriffen wie „Tradition“, „Religiosität“, „Autorität“ oder „Besitz“ geprägt. O Wahlen und Wählen, S. 150 P Sozialismus: von lat. socius = Gefährte, Genosse; politische Bewegung, die die Situation der Arbeiterinnen und Arbeiter verbessern will P Solidarität: unbedingtes Zusammenhalten mit jemandem aufgrund gleicher Weltanschauung und Ziele Der kapitalistische Vampir, Walter Crane, Holzschnitt, 1885, nachkoloriert P Liberalismus: von lat. liber = frei; liberalis = die Freiheit betreffend; politische Grundposition bzw. historische und aktuelle Bewegung, die die größtmögliche Freiheit des einzelnen Menschen anstrebt P Konservativismus: von lat. conservare = erhalten, bewahren; politische Bewegung, die für Erhaltung bestehender Strukturen eintritt P Autorität: Person oder Einrichtung, die auf bestimmtem Gebiet Ansehen und Einfluss erworben hat (z.B. staatliche Autorität) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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