erleben und gestalten 3 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

4 73 Kinderarbeit in einer Papierwarenfabrik in Aschaffenburg, Holzstich, 1880 (Deutschland) æ Schildere anhand der Bild- und Textquellen auf dieser Doppelseite die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter zur Zeit der Industrialisierung. æ Arbeite Unterschiede zwischen dem Leben der Männer, Frauen und Kinder heraus. æ Vergleiche die Arbeitszeiten damals mit jenen von dir bekannten Berufstätigen heute. æ Nimm zur Entwicklung der Arbeit im 19. und frühen 20. Jh. Stellung. (HMK, HSK, LK) A6 […] Da ist z.B. eine Fabrikarbeiterin mit vier kleinen Kindern. Um ½ 5 Uhr morgens beginnt ihr Arbeitstag, da muss sie aufstehen, Feuer machen, Kaffee kochen, Fleisch und Gemüse für das Mittagessen vorbereiten […], die Betten machen. Um ¾ 7 Uhr muss sie mit den Kindern aus dem Hause. Die Kleinen werden in die Anstalt gebracht. Die Frau geht in die Fabrik, aus der sie um ½ 12 Uhr vormittags für anderthalb Stunden heimkommt. Nun wird das Essen gewärmt und verzehrt und dann soviel häusliche Arbeit wie irgend möglich verrichtet. Das Geschirr wird gewaschen, das Zimmer etwas in Ordnung gebracht, das Notwendigste geflickt und gestopft. Alle paar Wochen müssen der Gang, die Treppe gefegt, müssen Fenster geputzt werden. Um 1 Uhr beginnt wieder die Fabrikarbeit. Nach Schluss derselben von neuem Hausarbeit. Nach dem Abendessen, das auch erst wieder von der Frau vorbereitet werden muss, kommen all die kleinen und großen Verrichtungen […]. Am Sonntag wird das Zimmer gründlich geputzt. So bringt ein Tag wie der andere Arbeit, von der kein Ausruhen ist. Etwa alle acht Wochen ist großer Waschtag. Entweder am Samstag abends, wo der Arbeitstag dann erst um 1 Uhr nachts ein Ende erreicht oder am Sonntag. Und dann wird bis in den Nachmittag hinein in der Waschküche gestanden, um alles fertig zu stellen. Oft hilft der Mann mit oder die etwas älteren Kinder müssen mit heran […]. Otto, Über Fabrikarbeit verheirateter Frauen, 1910, S. 285f. (bearbeitet) Im tiefsten Morgengrauen verlässt der Fabrikproletarier sein Bett und seine Behausung. Sein Arbeitstag beginnt meist sehr früh. […] In der Kantine, im Maschinensaal, in der Baubude oder in einem Schuppen wird Mittag gemacht; oft genug muss er auf einer Promenadenbank [Bank entlang eines Spazierweges], einem Haufen Späne oder der blanken Erde sein armseliges Mahl zu sich nehmen. Die dicke Suppe im Blechtopf, ein Stück Brot, einen Fetzen Wurst, einen Schluck Kaffee oder Bier. Dann ein Viertelstündchen Schlaf. Die Fabrikpfeife ruft. Nun wieder Arbeit, bis der Abend kommt. Endlich […] Feierabend! Todmüde […] schleppt sich der entkräftete Körper der Behausung zu. Die Kinder sind längst zu Bett; wie sie den Tag verbracht – wer sollte sich jetzt noch darüber den Kopf zerbrechen? Von seiner Arbeit haben sie nichts gesehen; er selbst hat alle Verrichtungen nur mechanisch, ohne innere Anteilnahme und Freude vollbracht. […] Zudem hat die öde und schwere Körperarbeit auch die Gedanken träge gemacht. Ist das schmale Abendbrot verzehrt, bringt vielleicht ein Pfeifchen noch Genuss. Ein paar kurze Stunden bleiernen Schlafes – im engen Raume und in schlechter Luft –, bis allzu bald die harte Pflicht wieder ruft. Und so Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr… Rühle, Das proletarische Kind, 1911, S. 22f. (bearbeitet) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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