erleben und gestalten 3 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

32 Neuzeit Absolutismus L’État, c’est moi – Der Staat bin ich Vom 15. Jh. an strebten Herrscherinnen und Herrscher danach, ihren Machtbereich zu vergrößern. Im 17. Jh. entmachtete der französische König Ludwig XIV. Adel und Kirche. So berief er u.a. die Generalstände (Vertretung aller französischen Stände) nicht mehr ein oder besetzte wichtige politische Positionen neu (z.B. Finanzminister). Damit vereinte er alle Macht in seiner Person. Er erließ die Gesetze, war oberster Richter und hatte den Oberbefehl über das Heer. Es gab keine Gewaltenteilung. Ludwig XIV. fühlte sich als König aus Gottes Gnaden und niemandem gegenüber verpflichtet – außer Gott. Alle Menschen waren seine Untertanen und mussten ihm unbedingt gehorchen. Er regierte also absolut und war an seine Gesetze nicht gebunden. Leben am Hof des französischen Königs Trotz des Prunks war das Leben am Hof aus heutiger Sicht nicht gemütlich. Die Räume waren schlecht beheizt, es gab kein fließendes Wasser und statt Toiletten wurden Nachttöpfe verwendet. Ludwig XIV. holte die Adeligen an seinen Hof, um sie besser kontrollieren zu können. Zu ihrer Unterhaltung gab es viele Vergnügungen (z. B. Jagden, Musik- oder Theateraufführungen und prunkvolle Feste). Während das aufwendige Leben am Hof sehr viel Geld verschlang, lebten Millionen Menschen in Frankreich in großer Armut. Das tägliche Leben des Königs fand größtenteils vor seinem Hofstaat statt und war durch das Hofzeremoniell streng geregelt. So wurde beispielsweise über das tägliche Morgenritual des Königs berichtet: Um acht Uhr früh […] weckte der erste Kammerdiener den König […] Inzwischen waren die Prinzen des königlichen Hauses […] eingetreten […] Ehe der König aufstand, wurden ihm zwei Perücken zur Auswahl vorgehalten, und wenn er seinen Schlafrock […] angezogen hatte, nahm er […] auf einem Sessel Platz […] Es kamen die vier Kabinettsekretäre, die Vorleser, Apotheker, Ärzte, die Silberbewahrer, einige Offiziere und Kammerdiener. Nachdem der König eine kleine Perücke aufgesetzt hatte, […] erschienen die Kammerherren […]. [D]er König zog seine Strümpfe und Hosen an […]; einige Pagen banden ihm die Schuhe zu […] Dann zog er sein Nachthemd aus […] [und] verlangte sein Taghemd. Die Darreichung dieses Kleidungsstückes bildete einen Höhepunkt der ganzen Kultushandlung: das Recht, dem König das Hemd zu reichen, stand […] [dem Bruder], den Söhnen und Enkeln des Königs zu. Herzog von Saint-Simon, Memoiren, in: Steudel, Der Fürstenstaat, S. 1 f. Leben nach französischem Vorbild Viele europäische Fürsten wollten so leben und herrschen wie der französische König. So ahmten beispielsweise der Preußenkönig Friedrich II. oder die russische Zarin Katharina II. seinen Lebens- und Regierungsstil nach. Der Absolutismus wurde im 17. und 18. Jh. zur führenden Herrschaftsform in Europa. Paradebett im offiziellen Schlafzimmer von Ludwig XIV., Foto, 2008 (Versailles, Frankreich) P Absolutismus: von lat. legibus absolutus = von den Gesetzen losgelöst, uneingeschränkt P Ludwig XIV. (1638–1715): stammte aus dem Geschlecht der Bourbonen; bereits im Alter von fünf Jahren französischer König; zunächst regierten seine Mutter und Kardinal Mazarin für ihn; förderte die Künste und Wissenschaften; durch seine kriegerische Außenpolitik wurde Frankreich zur europäischen Großmacht ÷ Ludwig XIV. wird auch der Sonnenkönig genannt. Sein Symbol war die Sonne. Dieses lässt sich in Versailles oftmals finden. Schlossgitter mit dem Sonnensymbol in Versailles (Rekonstruktion), Foto, 2008 (Frankreich) P Hofstaat: auch Hof oder Höfische Gesellschaft genannt; alle Personen, die eine regierende Adelige bzw. einen regierenden Adeligen umgeben; wohnt ebenfalls am Regierungssitz P Hofzeremoniell: auch Hofetikette genannt; regelte die Verhaltensweisen bei alltäglichen Handlungen und Feierlichkeiten an Adelshöfen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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