erleben und gestalten 3 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

24 Frühe Neuzeit Erneuerungsversuche in der Kirche Missstände in der Kirche Im Mittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit war das Leben der Menschen sehr stark von der Religion geprägt und die katholische Kirche übte große Macht aus. Die Menschen sollten ein gottesfürchtiges Leben führen. Das war aber auch bei den Geistlichen nicht immer der Fall. Der Papst und hohe Geistliche lebten in großem Luxus, der von den Steuern der einfachen Gläubigen bezahlt werden musste. Es gab zahlreiche Missstände: Hohe kirchliche Ämter wurden an Nichtgeistliche (Laien) verkauft. Niedere Geistliche waren oft ungebildet und konnten kaum lesen und schreiben. Dies führte zu mangelnder Seelsorge. Um 1500 beschloss Papst Julius II., den Petersdom in Rom prunkvoll ausbauen zu lassen. Das dafür benötigte Geld wollte er über den Ablasshandel aufbringen: Die Gläubigen mussten zur Vergebung ihrer Sünden diese nicht nur beichten und bereuen. Sie konnten sich auch von ihren Sündenstrafen loskaufen und die Sünden wurden ihnen „erlassen“ („Ablass“). Erneuerungsversuche Immer mehr Menschen äußerten Kritik an der katholischen Kirche und forderten Änderungen. Sie wurden als Ketzerinnen und Ketzer verfolgt. Bereits im 14. Jh. vertrat der englische Theologe John Wyclif die Ansicht, dass nur die Bibel selbst die Grundlage des Glaubens sein sollte. Er übersetzte die Bibel aus dem Lateinischen in die Landessprache Englisch, damit die Texte für die Menschen verständlich sind. Ein Anhänger seiner Lehre war der tschechische Priester Jan Hus. Er übersetzte die Bibel ins Tschechische. Hus wurde beim Konzil in Konstanz (Deutschland) 1415 als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Martin Luther Auch der deutsche Mönch und Theologieprofessor Martin Luther setzte sich gegen die Missstände in der Kirche ein. Besonders kritisierte er den Ablasshandel. Außerdem sah er in der Bibel die einzige Glaubensquelle. 1517 veröffentlichte er 95 Thesen (Lehrsätze) in lateinischer Sprache, um unter den Theologen eine Diskussion über Glaubensfragen zu erreichen. Die Thesen wurden ins Deutsche übersetzt und über Flugschriften in ganz Deutschland verbreitet. Schon bald hatte Luther eine große Anhängerschaft. Die Kirchenvertreter warfen ihm Ketzerei vor und drohten ihm mit Kirchenbann. Luther verbrannte aber das päpstliche Schreiben öffentlich. Kaiser Karl V. wollte eine Kirchenspaltung verhindern und lud Luther 1521 zum Reichstag nach Worms ein. Dort sollte er seine Lehre widerrufen. Luther widerrief jedoch nicht. Karl V. verhängte deshalb die Reichsacht über ihn und seine Schriften wurden verboten. Kurfürst Friedrich von Sachsen ließ Luther zum Schein entführen und auf die Wartburg bringen. Dort übersetzte dieser die Bibel aus dem Griechischen ins Deutsche. Die Lutherbibel wurde gedruckt und war bald weit verbreitet. Martin Luther, Lucas Cranach, Gemälde, 1526 P Ketzerin bzw. Ketzer: Person, die von der offiziellen Kirchenlehre abweicht bzw. die offen eine andere als die für gültig erklärte Meinung vertritt P Konzil: Bischofsversammlung P Kirchenbann (auch: Exkommunikation): zeitlich begrenzter oder dauerhafter Ausschluss aus der Kirche; die schwerste Kirchenstrafe für gläubige Christinnen und Christen P Karl V. (1500–1558): Kaiser des Heiligen Römischen Reiches; regierte über Gebiete in Europa und Amerika; war mit religiösen Konflikten zwischen Katholizismus und Protestantismus konfrontiert; führte zahlreiche Kriege (z.B. gegen Frankreich und das Osmanische Reich) P Reichstag: Versammlung der Reichsstände des Heiligen Römischen Reiches; wurde ab dem 12. Jh. in unregelmäßigen Abständen einberufen P Reichsacht: Ausschluss aus der Gemeinschaft; die geächtete Person wurde als „vogelfrei“ erklärt; das bedeutet, dass sie ohne Rechte war und jederzeit straflos getötet werden konnte Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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