erleben und gestalten 3 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

148 Wahlen und Wählen Geschichte des Wahlrechts Grundlage einer Demokratie Für ein modernes demokratisches System sind vor allem folgende Voraussetzungen nötig: æ allgemeines, gleiches, geheimes und freies Wahlrecht, æ regelmäßige Abhaltung von freien Wahlen, æ Informations- und Meinungsfreiheit, æ uneingeschränkte Möglichkeit zur Bildung von Parteien und æ die Einhaltung von rechtsstaatlichen Prinzipien. In Europa gab es jedoch über viele Jahrhunderte hinweg keine Wahlen. Die Bevölkerung war in den absolutistisch regierten Staaten von politischen Entscheidungen vollkommen ausgeschlossen. Das änderte sich erst nach der Aufklärung und im Zuge verschiedener Revolutionen in Europa. Vorläufer des österreichischen Parlamentarismus Nach der Revolution von 1848 wurde erstmal ein (beinahe) allgemeines Männerwahlrecht eingeführt. Allerdings wurde das neu geschaffene Parlament schon ein Jahr später wieder aufgelöst. In den folgenden Jahrzehnten galten sehr unterschiedliche Wahlsysteme. Dabei war das Wahlrecht von Einkommen bzw. Vermögen abhängig. Nur ein kleiner Anteil der Bevölkerung durfte wählen. Erst 1907 kam es zur Einführung des allgemeinen, direkten und gleichen Wahlrechts für Männer ab 24 Jahren. Frauenwahlrecht Die 1848 beschlossene Wahlordnung schloss Frauen von der Wahl nicht aus. Sie konnten aber dennoch nicht wählen, da ihnen die dafür nötige wirtschaftliche und soziale Eigenständigkeit abgesprochen wurde. Später hatten manche Frauen aufgrund ihres Vermögens das Recht zu wählen. Allerdings wurden sie in der Praxis vielfach daran gehindert, beispielsweise indem ihnen verboten wurde, das Wahllokal zu betreten. 1907 wurden Frauen durch die Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts von den Wahlen ganz ausgeschlossen. Nach dem Ende der Monarchie 1918 wurde das Gesetz über die Staats- und Regierungsform von Deutschösterreich erlassen. Darin hieß es in Artikel 9: Die Wahlordnung […] beruht auf der Verhältniswahl und dem allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Stimmrecht aller Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts. Art. 9, StGBl. 5/1918 1919 wurden bei den ersten Wahlen nach Ausrufung der Republik neben 151 Männern acht Frauen in die Konstituierende Nationalversammlung gewählt. Wahlrecht in Österreich heute Heute sind in Österreich alle Staatsbürgerinnen und -bürger ab Erreichung des Wahlalters wahlberechtigt, wenn sie nicht aufgrund einer gerichtlichen Verurteilung vom Wahlrecht ausgeschlossen wurden. Das aktive Wahlrecht (Recht zu wählen) erhält man seit 2007 für alle Wahlen im Alter von 16 Jahren. Das passive Wahlrecht (Recht, gewählt zu werden) erhält man mit 18 Jahren (außer für die Bundespräsidentschaftswahl, für die man 35 Jahre alt sein muss). Zusätzlich haben EU-Bürgerinnen und -Bürger bei den Wahlen zum EU-Parlament sowie zum Gemeinderat bzw. zur Gemeindevertretung das aktive und passive Wahlrecht. O Revolutionen, S. 58 P Wahlrecht: Recht, an Wahlen teilzunehmen; lange Zeit gab es in Österreich bei bestimmten Wahlen eine Wahlpflicht ÷ Ab 1883 fanden Parlamentssitzungen im neu errichteten Gebäude an der Wiener Ringstraße statt. Im Giebel über dem Hauptportal ist Kaiser Franz Joseph I. als römischer Herrscher dargestellt. Der Kaiser lehnte den Parlamentarismus jedoch ab und besuchte das Gebäude nach seiner Fertigstellung nur einmal. Giebel über dem Hauptportal des österreichischen Parlaments (Bildausschnitt), Foto, 2008 (Wien) ÷ Seit 2007 kann man in Österreich auch per Brief wählen (Briefwahl). ÷ Nicht überall ist das Wahlrecht so wie in Österreich geregelt. Beispielsweise gilt in vielen Staaten ein Wahlalter von 18 Jahren. Auch die historische Entwicklung des Wahlrechts unterscheidet sich von Staat zu Staat. Weltweit zum ersten Mal wurde das Frauenwahlrecht 1893 in Neuseeland eingeführt, in der Schweiz hingegen erst 1971. Digitales Zusatzmaterial 6v3w2k Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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