erleben und gestalten 3 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

142 Identitäten Vielfältige Nation – Volksgruppen Definition von Volksgruppen Volksgruppen sind jene sprachlichen Minderheiten, die schon zur Zeit der Habsburgermonarchie auf dem Gebiet des heutigen Österreich gelebt haben: æ Sloweninnen und Slowenen/Slovenci (v. a. in Kärnten) æ Burgenländische Kroatinnen und Kroaten/Gradišćanski Hrvati æ Ungarinnen und Ungarn/Magyarok (v. a. im Burgenland) æ Tschechinnen und Tschechen/Češi æ Slowakinnen und Slowaken/Slováci (v. a. in Wien) æ Roma und Sinti/Le Rom thaj le Sinti Eine neue Volksgruppe kann vom Staat anerkannt werden, wenn sie seit mindestens drei Generationen, also rund 100 Jahren, in Österreich lebt. Die Rechte der Volksgruppen sind im Staatsvertrag von 1955 und im Volksgruppengesetz von 1976 geregelt. Beispielsweise erhalten sie staatliche Förderungen, um ihre Sprache und ihr Kulturgut zu pflegen. Ortstafelstreit Zu den Rechten der Volksgruppen zählt, dass ihre Sprache im öffentlichen Leben, beispielsweise in Schulen, gleichberechtigt mit dem Deutschen verwendet werden kann. In den von den Volksgruppen bewohnten Gebieten müssen Orte in zwei Sprachen beschildert sein. Diese Bestimmung wurde jedoch lange Zeit nicht umgesetzt. 1972 kam es in Kärnten zum „Ortstafelsturm“. Bei diesem wurden bereits aufgestellte zweisprachige Beschriftungen gewaltsam entfernt. Viele lehnten die zweisprachigen Tafeln ab. Erst 2011 wurde eine Einigung erzielt. Anschlag gegen Roma in Oberwart Im Februar 1995 kam es zu einem schlimmen Verbrechen. Bei der Roma-Siedlung in Oberwart (Burgenland) wurde eine Rohrbombe gezündet, die vier Roma tötete. Es war das erste Mal seit 1945, dass Personen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe ermordet wurden. Martina Horvath war damals zehn Jahre alt und erinnert sich wie folgt: Draußen war es noch dunkel. Im Haus waren jedoch scheinbar alle schon wach und wegen irgendetwas sehr aufgeregt. Sie unterhielten sich lautstark in der Küche. Ich war noch am Überlegen, ob ich auch schon aufstehen sollte. Immerhin war ich letzte Nacht ziemlich lange wach. Dann war da auch noch mitten in der Nacht dieser laute Knall. Als ich kurz den Kopf aus dem Fenster im Vorraum streckte, um zu sehen, was passiert war, roch es nach Schweizerkrachern. Doch in der Küche wurde es immer lauter und ich konnte nicht wieder einschlafen. […] Worüber redeten die da draußen. In der Küche standen alle herum und weinten. „Sie sind tot. Der Karli, der Erwin, der Peter und der Humpa. Sie sind alle tot. Fredi hat sie gefunden, als er nach Unterwart gehen wollte. Irgendjemand hat sie umgebracht.“ Horvath, 4. Februar 1995, S. 185 (bearbeitet) Später stellte sich heraus, dass der Attentäter Franz Fuchs war. Dieser hatte mehrere rassistische Anschläge, u.a. mit Briefbomben, verübt. Dabei wurden insgesamt 15 Menschen zum Teil schwer verletzt. O Kolonialismus, S. 92 ÷ Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ORF) hat auf seiner Website einen eigenen Bereich für die Volksgruppen. ÷ Roma wurden im Laufe der Geschichte vielfach ausgegrenzt und verfolgt. Bis heute gibt es viele Vorurteile gegen Roma. ÷ Zu den Rechten der Volksgruppen gehören, dass unter bestimmten Umständen eigene Schulen gegründet werden können. Demonstration für zweisprachige Ortstafeln in St. Kanzian/Škocjan v Podjuni, Foto, 2004 (Kärnten) Mahnmal zum Gedenken an die Opfer des Anschlags, Foto, 2000 (Oberwart) Digitales Zusatzmaterial 6uf8dt Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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