140 Identitäten Nationalismus Begriffserklärung Viele Menschen sind stolz auf die eigene Nation, ihre Persönlichkeiten und ihre Geschichte. Dieser Nationalstolz kann zu Problemen führen, wenn gleichzeitig die Menschen von anderen Nationen als minderwertig angesehen werden. Man spricht dann von Nationalismus. Inklusiver (einschließender) Nationalismus hat vor allem im 19. Jahrhundert zur Gründung von Staaten geführt. So kam es beispielsweise zwischen 1815 und 1870 zum italienischen Einigungsprozess („Risorgimento“). Die verschiedenen Fürstentümer und Regionen auf der Apenninhalbinsel wollten einen unabhängigen Nationalstaat Italien. 1861 wurde das Königreich Italien gegründet. Exklusiver (ausschließender) Nationalismus führt hingegen zur Abgrenzung von anderen Staaten und Nationen. Dabei wird die eigene Nation als höherwertig als die anderen angesehen. Im 20. Jh. hat diese Form des Nationalismus zum Zerfall von Staaten geführt, beispielsweise von Jugoslawien. Innerhalb von Staaten kommt es zu einer Abwertung und Ausgrenzung von Gruppen, die als nicht zur Nation gehörig gelten (z.B. Minderheiten). Nationalismus heute In vielen Staaten gewinnen nationalistische Gruppierungen und Parteien an Bedeutung. Das bringt eine Gefahr fü r die Demokratie mit sich, weil sich Nationalismus gegen die politische und gesellschaftliche Teilhabe von nationalen Minderheiten richtet. Oft wird argumentiert, dass man zuerst „auf sich“ schauen mü sse, die eigene Nation sei wichtiger als andere. In politischen Debatten wird immer wieder der Begriff „Heimat“ als Schlagwort verwendet. Diesem werden unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben. Wahlplakat der FPÖ, Landtagswahl in Niederösterreich, 2023 Wahlplakat von Die Grünen, Landtagswahl in Oberösterreich, 2021 Supranationalismus gegen Nationalismus Die Europäische Union ist supranational (überstaatlich) ausgerichtet. Sie wurde gegründet, um nationalistisch motivierte Konflikte in Europa zu verhindern. Die Nationalstaaten haben einige ihrer Rechte an die EU abgetreten, wie beispielsweise im Bereich der Finanzpolitik (Zinsen). Da nationalistische Gruppen einzelstaatliche Interessen durchsetzen möchten, lehnen sie die EU ab. Viele Politikerinnen und Politiker der EU sprechen sich daher gegen eine nationalistische Politik aus. O Erster Weltkrieg, S. 116 ÷ Im Gegensatz zum Rassismus geht es beim Nationalismus nicht um die Unterscheidung anhand von biologischen Eigenschaften, sondern um die Unterscheidung der nationalen Zugehörigkeit. ÷ Im Zuge der Dekolonisation half der Nationalismus bei der Herstellung von staatlicher Identität. ÷ Der Nationalismus in den Teilrepubliken Jugoslawiens (Kroatien, Serbien, Slowenien etc.) hat 1991 einen Krieg ausgelöst. Jugoslawien zerfiel in eigenständige Nationalstaaten. ÷ Um das „Wir“-Gefühl und die Abgrenzung zu anderen zu fördern, wird oft auf traumatische Erfahrungen in der Geschichte zurückgegriffen. In Ungarn wird beispielsweise immer wieder auf den Vertrag von Trianon (1920) hingewiesen, durch den Ungarn viele Gebiete verlor. ÷ Viele Nationalistinnen und Nationalisten möchten nicht, dass Entscheidungen außerhalb des Nationalstaates getroffen werden. Daher lehnen sie die EU ab. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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