126 Erster Weltkrieg Bevölkerung im Krieg Veränderung der Geschlechterrollen In den meisten Kriegen vor dem 20. Jh. waren hauptsächlich die Gebiete betroffen, in denen gekämpft wurde. Der Erste Weltkrieg veränderte hingegen den Alltag von allen Menschen in den kriegsteilnehmenden Staaten. Die Zivilbevölkerung sollte die Truppen unterstützen. Frauen mussten während des Krieges viele Arbeiten übernehmen, die zuvor von Männern ausgeübt worden waren. Dies betraf alle sozialen Schichten. Zwar hatten schon zuvor Frauen in Fabriken arbeiten müssen, doch nun war ihre Arbeitskraft in vielen Bereichen unbedingt notwendig. So stellten sie etwa in den Munitionsfabriken den Nachschub für die Soldaten an der Front her und hielten durch ihre Tätigkeiten als Briefträgerinnen und Schaffnerinnen die öffentliche Infrastruktur aufrecht. Auch in der Landwirtschaft war die Arbeit von Frauen notwendig. Allerdings wurden Frauen nicht gleich wie Männer behandelt und erhielten weniger Lohn für die gleiche Tätigkeit. Versorgungsprobleme Im Laufe des Krieges ergaben sich für die Zivilbevölkerung immer mehr Probleme. Insbesondere die Versorgung mit Lebensmitteln wurde immer schlechter. Bereits im April 1915 wurden die ersten Lebensmittelkarten ausgegeben. Damit erhielt jede Person eine bestimmte Menge an Lebensmitteln für einen gewissen Zeitraum. Diese Menge wurde im Verlauf des Krieges immer wieder reduziert. Dazu kamen heimkehrende Verwundete, davon viele dauerhafte Invaliden, und Todesnachrichten von der Front. Diese zeigten der Bevölkerung die von der Propaganda abweichende Realität des Krieges. Kriegsverbrechen Die Zivilbevölkerung war auch von Kriegsverbrechen betroffen. In einem Krieg herrschen bestimmte Regeln. Diese sind im Kriegsrecht festgelegt. Beispielsweise dürfen nur Soldaten angegriffen werden, nicht die Zivilbevölkerung. Allerdings halten sich die Kriegsparteien nicht immer an die Regeln. Auch im Ersten Weltkrieg gab es verschiedene Verstöße gegen das damalige Kriegsrecht. Das größte Kriegsverbrechen war der Völkermord an den Armeniern 1915/16. Zivilisten wurden deportiert, unter Androhung von Gewalt zur Zwangsarbeit verpflichtet, misshandelt, vergewaltigt, als Geiseln genommen, in [zweifelhaften] Militärprozessen zum Tode verurteilt oder willkürlich erschossen. In Städten und Dörfern wurde geplündert und gebrandschatzt. Unverteidigte Orte wurden beschossen und ganze Landstriche systematisch verwüstet. Sich ergebende Soldaten ließ man […] hinrichten. Kriegsgefangene wurden in Lagern vernachlässigt, misshandelt und zu schwerster Zwangsarbeit eingesetzt. Abertausende starben an Mangelernährung und Krankheit, durch harte und gefährliche Arbeit. Alle Konfliktparteien setzten zudem unerlaubte Kriegsmittel ein: Manipulierte Gewehrprojektile rissen schwer zu behandelnde Wunden in die Körper, tausende Soldaten wurden durch chemische Kampfstoffe erstickt und verätzt. Zenzmaier, Kriegsrecht (bearbeitet) O Wahlen und Wählen, S. 148 Brotkarte für Niederösterreich, 1915 P Zivilbevölkerung: jener Teil der Bevölkerung, der nicht mit Waffen an der Front kämpft ÷ Die neuen Tätigkeiten, die Frauen während des Ersten Weltkrieges ausübten, führten dazu, dass sie mehr Rechte für sich einforderten. Besonders wichtig war ihnen das Wahlrecht. In Österreich wurde dieses nach dem Krieg auch eingeführt. P Invalide: Person, die aufgrund einer Krankheit oder Verletzung dauerhaft nicht mehr arbeiten kann Verwundeter Soldat, Foto, 1916 ÷ Die Türkei betrachtet die Geschehnisse heute nicht als Völkermord. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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