erleben und gestalten 3 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

104 Migration Österreich – ein Einwanderungsland Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter Zu Beginn der 1960er-Jahre hatten nur rund 1,5 % der in Österreich lebenden Bevölkerung eine ausländische Staatsangehörigkeit. Die Wirtschaft entwickelte sich in dieser Zeit gut. Das führte dazu, dass viele Unternehmen über Arbeitskräftemangel klagten. Einige europäische Regierungen entschieden sich daher dazu, Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben, so auch die österreichische. Zu diesem Zweck wurden mit Spanien (1962), der Türkei (1964) und Jugoslawien (1966) „Anwerbeabkommen“ geschlossen. Die ausländischen Arbeitskräfte hatten schwierige Lebensbedingungen in Österreich. Geplant war, dass sie nur für kurze Zeit in Österreich bleiben. Nach wenigen Jahren sollten sie wieder nachhause geschickt und durch neue Arbeitskräfte ersetzt werden („Rotationsprinzip“). Man nannte sie daher „Gastarbeiterinnen“ bzw. „Gastarbeiter“. Dieser Plan erwies sich aber als ungünstig. Für die österreichischen Unternehmen hätten sich jedes Mal neue Anlernkosten ergeben. Daher blieben viele „Gastarbeiterinnen“ und „Gastarbeiter“ in Österreich, gründeten hier eine Familie oder holten ihre Familien nach. Zu Beginn der 1970er-Jahre gab es aufgrund der Wirtschaftskrise einen Anwerbestopp. Gastarbeiterwohnung in WienOttakring, Foto, 1972 Gastarbeiter am Wiener Südbahnhof, Foto, 1970 Migration von und nach Österreich im 21. Jahrhundert Heute (Stand: 2024) haben in Österreich 19,7 % der Bevölkerung eine andere Staatsbürgerschaft als die österreichische. Über ein Viertel der Bevölkerung weist einen Migrationshintergrund auf. In Wien ist es fast die Hälfte. Österreich hat seit vielen Jahren eine positive Wanderungsbilanz. Das bedeutet, dass mehr Personen nach Österreich zuwandern als Österreich verlassen. Dies ist u.a. notwendig, damit die Bevölkerungszahl nicht sinkt, Österreich nicht überaltert und die Finanzierung des Wohlfahrtsstaates gesichert ist. Vielen Leuten machen die stetige Zuwanderung und wachsende Diversität jedoch Angst. Manche Menschen befürchten beispielsweise, dass es aufgrund der Zuwanderung weniger Jobs oder Sozialleistungen gibt. Auch fremde Sprachen und Gewohnheiten können zu Verunsicherungen führen. Die Angst vor Fremdem wird u.a. durch die Medienberichterstattung und manche politische Parteien gefördert, indem beispielsweise ein Zusammenhang zwischen Zuwanderung und der steigenden Terrorgefahr betont wird. Dies belegt eine 2023 von der „Alliance of Democracies“ veröffentlichte Umfrage: Während nur zwölf Prozent der Befragten weltweit die Reduzierung der Migration zu den drei wichtigsten Themen für die Regierungen zählten, sind es in Österreich 34 Prozent. ÷ Der Begriff „Gastarbeiterin“ bzw. „Gastarbeiter“ stammt aus den 1950er- und 1960erJahren und löste die bis dahin üblichen Bezeichnungen (z.B. „Fremdarbeiterin“ bzw. „Fremdarbeiter“) ab. So bezeichnete man jene ausländischen Arbeitskräfte, die im Zuge des Rotationsprinzips nach Österreich kamen. Das Wort „Gast“ meint einen Menschen, den man eingeladen hat, über dessen Anwesenheit man sich freut und der einen wieder verlassen wird. Allerdings wurden diese Arbeitskräfte nicht wirklich gastfreundlich aufgenommen und viele von ihnen blieben ab den 1970er-Jahren dauerhaft. Der Begriff ist daher umstritten. P Migrationshintergrund: es gibt unterschiedliche Definitionen; laut Statistik Austria hat eine Person Migrationshintergrund, deren beide Elternteile im Ausland geboren wurden; Angehörige der ersten Generation wurden selbst im Ausland geboren und Personen der zweiten Generation sind in Österreich zur Welt gekommen ÷ Die Bezeichnung „Menschen mit Migrationsgeschichte“ wird für Personen verwendet, die selbst oder deren Vorfahren eingewandert sind. P Wohlfahrtsstaat: Staat, der weitreichende Maßnahmen (z.B. in den Bereichen Soziales oder Finanzielles) zum Wohl seiner Bürgerinnen und Bürger setzt Digitales Zusatzmaterial 6p4ky6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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