erleben und gestalten 3 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

erleben und gestalten Geschichte und Politische Bildung 3

1. Auflage (Druck 0001) © Österreichischer Bundesverlag Schulbuch GmbH & Co. KG, Wien 2025 www.oebv.at Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der Vervielfältigung, auch auszugsweise, gesetzlich verboten. Redaktion: Carina Molnár, MA, Wien; Mag. Elisabeth Puntigam-Gröller, Wien Herstellung: MMag. Andrea Maria Fellner, Wien; Oliver Stolz, Wien Umschlaggestaltung und Layout: Jens-Peter Becker, normaldesign GbR, Schwäbisch Gmünd Satz: Imprint, Zusmarshausen Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H., Horn ISBN 978-3-209-12306-0 (erleben und gestalten SB 3 + E-Book) ISBN 978-3-209-12312-1 (erleben und gestalten SB 3 + E-BOOK+) ISBN 978-3-209-13102-7 (erleben und gestalten SB 3 E-Book Solo) ISBN 978-3-209-13105-8 (erleben und gestalten SB 3 E-BOOK+ Solo) erleben und gestalten 3 - Geschichte und Politische Bildung, Schulbuch und E-Book Schulbuchnummer: 220325 erleben und gestalten 3 - Geschichte und Politische Bildung, Schulbuch mit E-BOOK+ Schulbuchnummer: 220326 erleben und gestalten 3 - Geschichte und Politische Bildung, Schulbuch E-Book Solo Schulbuchnummer: 220327 erleben und gestalten 3 - Geschichte und Politische Bildung, Schulbuch E-BOOK+ Solo Schulbuchnummer: 220328 Mit Bescheid des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung vom 23. Oktober 2024, GZ 2023-0.756.906, gemäß § 14 Absatz 2 und 5 des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 472/86, und gemäß den derzeit geltenden Lehrplänen als für den Unterrichtsgebrauch für die 3. Klasse an Mittelschulen und für die 3. Klasse an allgemein bildenden höheren Schulen – Unterstufe im Unterrichtsgegenstand Geschichte und Politische Bildung (Lehrplan 2023) geeignet erklärt. Dieses Werk wurde auf der Grundlage eines zielorientierten Lehrplans verfasst. Konkretisierung, Gewichtung und Umsetzung der Inhalte erfolgen durch die Lehrerinnen und Lehrer. Liebe Schülerin, lieber Schüler, du bekommst dieses Schulbuch von der Republik Österreich für deine Ausbildung. Bücher helfen nicht nur beim Lernen, sondern sind auch Freunde fürs Leben. Kopierverbot Wir weisen darauf hin, dass das Kopieren zum Schulgebrauch aus diesem Buch verboten ist – § 42 Abs. 6 Urheberrechtsgesetz: „Die Befugnis zur Vervielfältigung zum eigenen Schulgebrauch gilt nicht für Werke, die ihrer Beschaffenheit und Bezeichnung nach zum Schul- oder Unterrichtsgebrauch bestimmt sind.“ Umschlagbilder: U1.1: Ground Picture / Shutterstock; U1.2: Martin van Meytens / Imagno / picturedesk.com; Illustrationen: Wolfgang Schaar, Grafing; SCHWUPP, Atelier für Malerei und Illustration, Hausbrunn Kartographie: Freytag-Berndt & Artaria, Wien Bildrechte: © Bildrecht GmbH, Wien 2025 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

www.oebv.at Andrea Brait Cornelia Sommer-Hubatschke erleben und gestalten Geschichte und Politische Bildung 3 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

2 Inhaltsverzeichnis So arbeitest du mit „erleben und gestalten – Geschichte und Politische Bildung“ 4 Geschichte und Politische Bildung 6 Aspekte frühneuzeitlicher Kulturen aus europäischer Perspektive 7 Europa am Beginn der Neuzeit 8 Erfindungen 10 Humanismus und Renaissance 12 Individuum 14 Liebe und Ehe in der Neuzeit 16 Umgang mit Krankheit 18 Magie und Hexerei 20 Rechtsverständnis und Strafen 22 Erneuerungsversuche in der Kirche 24 Reformation und Gegenreformation 26 Der Dreißigjährige Krieg 28 Lernen mit Konzepten (Zeiteinteilung | Zeitverläufe) 30 Gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen in der Neuzeit 31 Absolutismus 32 Barock 34 Mode und Kunst des Barock 36 Frühkapitalismus 38 Merkantilismus 40 Geschichtskultur 42 Lernen mit Konzepten (Macht | Struktur) 44 Revolutionen, Widerstand, Reformen 45 Die Aufklärung – Zeitalter der Vernunft 46 Aufgeklärter Absolutismus 48 Auswirkungen der Aufklärung bis heute 50 Widerstand oder Reformen 52 Revolution in Frankreich 1789 54 Napoleonische Kriege 56 Revolutionen 1848 58 Jüdisches Leben 60 Umbrüche im Russischen Reich 1917 62 Arabischer Frühling 64 Lernen mit Konzepten (Handlungsspielräume | Zeitpunkte) 66 Geschlecht, Ethnie und soziale Klassen im Zeitalter der Industrialisierung 67 Soziale Differenzierung 68 Industrielle Revolution 70 Folgen der Industrialisierung 72 Soziale Frage 74 Politische Strömungen im 19. Jh. 76 Gründerzeit 78 Wien um 1900 80 Industrialisierung und Umwelt 82 Lernen mit Konzepten (Arbeit | Verteilung) 84 1 Frühe Neuzeit 2 Neuzeit 3 Revolutionen 4 Industrialisierung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

3 Kolonialismus, Imperialismus und Rassismus 85 Folgen des Kolonialismus 86 Imperialismus 88 Kritik und Widerstand 90 Entstehung des Rassismus 92 Rassismus im 20. und 21. Jahrhundert 94 Zwei Vielvölkerstaaten 96 Lernen mit Konzepten (Lebens- und Naturraum) 98 Migration vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart 99 Migration 100 Migration in Österreich-Ungarn 102 Österreich – ein Einwanderungsland 104 Einwanderung nach Österreich heute 106 Einwanderung in die USA 108 Migration im 21. Jahrhundert 110 Migration und EU 112 Lernen mit Konzepten (Belegbarkeit | Diversität) 114 Erster Weltkrieg 115 Bündnisse und Konflikte 116 Beginn des Ersten Weltkrieges 118 Verlauf des Ersten Weltkrieges 120 Kriegspropaganda 122 An der Front 124 Bevölkerung im Krieg 126 Kindheit im Krieg 128 Geschichtskultur über den Ersten Weltkrieg 130 Friedensverträge von 1919/20 132 Lernen mit Konzepten (Kausalität | Konstruktivität) 134 Identitäten und Politik in Gegenwart und Zukunft 135 Identitäten 136 Nationale Identität 138 Nationalismus 140 Vielfältige Nation - Volksgruppen 142 Europäische Identität 144 Lernen mit Konzepten (Auswahl | Perspektive) 146 Wahlen und Wählen in Gegenwart und Zukunft 147 Geschichte des Wahlrechts 148 Entstehung von Parteien 150 Parteienlandschaft in Österreich 152 Grundprinzipien des Wahlrechts 154 So funktioniert Wählen 156 Wahlen in den Medien 158 Wahlen im Internet 160 Wahlen und Jugend 162 Lernen mit Konzepten (Kommunikation | Normen) 164 Methoden- und Technikkarten 165 Operatoren 173 Quellen- und Literaturverzeichnis 175 Bildquellenverzeichnis 176 5 Kolonialismus 6 Migration 7 Erster Weltkrieg 8 Identitäten 9 Wahlen und Wählen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

4 So arbeitest du mit „erleben und gestalten – Geschichte und Politische Bildung“ Dieses Schulbuch ist in neun Großkapitel gegliedert. Zur besseren Unterscheidbarkeit ist jedes Großkapitel in einer anderen Farbe gehalten. Ein Großkapitel besteht aus einer Auftaktseite, einem Kapitelteil (auf der Inhaltsseite werden die Themen mit Texten und Materialien veranschaulicht, auf der Übungsseite finden sich darauf abgestimmte Arbeitsaufgaben) und einer Seite für das Lernen mit Konzepten. Auftaktseite Auf der Einstiegsseite gibt es ein großes Bild, das dich in das Thema einführt. Du wirst informiert, welche Konzepte im Großkapitel behandelt werden. Unten auf der Seite findest du einen Verweis auf einen Online-Code mit weiterführenden Informationen. Um dorthin zu gelangen, gib den Code einfach in das Suchfeld auf www.oebv.at ein. Alle Materialien sind auch über die QuickMedia App aufrufbar. In der Zeitleiste kannst du wichtige Ereignisse und Jahreszahlen nachlesen, die im Kapitel behandelt werden. Zeitleiste 7 q Zeiteinteilung | Zeitverläufe 1 Aspekte frühneuzeitlicher Kulturen aus europäischer Perspektive Renaissance 14.–16. Jh. Buchdruck mit beweglichen Lettern um 1450 Leonardo da Vinci 1452–1519 Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453 Kaiser Karl V. 1500–1558 Thesenanschlag von Martin Luther 1517 Reichstag von Worms 1521 Konzil von Trient 1545–1563 Augsburger Religionsfrieden 1555 Dreißigjähriger Krieg 1618–1648 Die Schule von Athen, Raffael, Fresko (Wandmalerei), Vatikan, 1510/11 (Vatikanstaat) „Die Schule von Athen“ (Original: La scuola di Atene) ist ein bedeutendes Werk der Kunstgeschichte. Es handelt sich um ein Fresko (Wandmalerei), das der italienische Maler Raffael in den Jahren 1510/11 im Vatikan angefertigt hat. Bei einem Fresko kommt eine spezielle Technik zur Anwendung: Die Farbe wird auf den noch feuchten Putz aufgetragen und verbindet sich damit stabil mit der Decke bzw. der Wand. Das Bild „Die Schule von Athen“ ist 7,7 Meter breit und an einer Wand eines Saales angebracht, der vom damaligen Papst genutzt wurde. Auch auf den anderen drei Wänden des Raumes wurden Fresken angebracht. Insgesamt gibt es im Vatikan vier Räume mit Fresken von Raffael, die sogenannten Stanzen des Raffael. Der Begriff leitet sich vom italienischen Wort stanza (Zimmer) ab. Auf dem Fresko „Die Schule von Athen“ sind viele Philosophen des antiken Griechenlands dargestellt. In der Mitte sind Platon und Aristoteles zu sehen, die miteinander sprechen. Raffael soll sich auch selbst abgebildet haben. In der Forschung ist allerdings umstritten, wer die einzelnen Figuren sein sollen. Das Fresko ist ein klassisches Werk der Renaissance (14.–16. Jh.). In dieser Zeit wurde gerne auf die Antike zurückgeblickt. Das antike Denken wurde als Ursprung der europäischen Kultur angesehen und verherrlicht. Digitales Zusatzmaterial 6hx7tf Titel des Großkapitels Online-Code Konzepte Kapitelseiten: Inhalts- und Übungsseite Auf der linken Seite bekommst du mithilfe von Texten und vielfältigen Materialien einen Überblick über wichtige Inhalte im Kapitel. Die Informationsspalte am Rand enthält Begriffserklärungen und bietet zusätzliche Informationen. Hinzu kommen Seitenverweise zu verwandten Themen innerhalb des Buches und Online-Codes bzw. Verweise auf die QuickMedia App. Auf der rechten Seite gibt es Arbeitsaufträge zum Kapitel, um bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten (Kompetenzen) zu trainieren. Die Abkürzungen der jeweiligen Kompetenzen sind immer angegeben. Wenn du mit einer Methodenkarte (M) oder Technikkarte (T) arbeiten sollst, wird das ausgewiesen. Im Online-Bereich bzw. der QuickMedia App wird auch ein Gesamtglossar der Begriffserklärungen im Schulbuch angeboten. Digitales Zusatzmaterial 6hd3jv Kurzbezeichnung des Großkapitels Inhaltsseite Übungsseite Verweis auf die QuickMedia App und den OnlineCode Arbeitsaufträge mit hervorgehobenen Operatoren und Kompetenzauszeichnung Informationsspalte Zusatzinformation Lexikon 3 65 64 Revolutionen Arabischer Frühling Ursachen und Beginn Auch im 20. und 21. Jahrhundert gab es Revolutionen. Im Frühjahr 2011 kam es in den Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens zu zahlreichen Aufständen und Protesten. Auslöser war die Selbstverbrennung eines jungen Gemüsehändlers im Dezember 2010 in Tunesien, der keine Zukunft für sich in seiner Heimat sah. Es folgten Unruhen in ganz Tunesien. Die überwiegend jungen Protestierenden forderten demokratische Rechte, bessere Lebensbedingungen, Bildungschancen und Arbeit. Die jungen Menschen wollten wirtschaftliche Zukunftsperspektiven. Der Protest richtete sich auch gegen die politischen Zustände (z.B. Einschränkung der Meinungs und Pressefreiheit, Korruption) im Land. Der Staatspräsident Zine el-Abidine Ben Ali floh aus dem Land. Sein autokratisches Regime wurde gestürzt. Eine Übergangsregierung kam an die Macht. Doch schon bald musste diese nach Protesten der Bevölkerung wieder zurücktreten. Eine gewisse Demokratisierung wurde jedoch zumindest für kurze Zeit in Gang gesetzt. Seit den Wahlen 2019 ist sie wieder rückläufig. Weiterer Verlauf Auch in anderen arabischen Ländern machten sich die Einwohnerinnen und Einwohner Hoffnung auf mehr Freiheit, Gerechtigkeit, Demokratie und Wohlstand. Ende Jänner 2011 begannen Proteste in Ägypten. Die Menschen gingen auf die Straße und versammelten sich in der Hauptstadt Kairo am Tahrir-Platz. Die Protestbewegung wurde zum größten Teil über das Internet und die Sozialen Medien organisiert. Die Menschen wollten eine Verbesserung der Lebenssituation und einen politischen Umbruch erreichen. Der Staatspräsident Muhammad Husni Mubarak wurde abgesetzt und verhaftet. Ein Militärrat übernahm die Macht und versprach freie und demokratische Wahlen. Die Verfassung wurde geändert und Parteien durften gebildet werden. Die stärkste unter ihnen war die von der ägyptischen Muslimbruderschaft gegründete „Partei für Freiheit und Gerechtigkeit“ und stellte mit Mohammed Mursi das nächste Staatsoberhaupt. Doch die Unruhen endeten auch unter Mursi nicht. Er wurde 2013 durch einen Militärputsch gestürzt. Ihm folgte Abd al-Fattah as-Sisi als Präsident Ägyptens. Doch Demokratie und Bürgerrechte sind in Ägypten bis heute sehr stark eingeschränkt. In Libyen führten die Proteste zu einem Bürgerkrieg. Diktator Muammar alGaddafi wurde nach 42 Jahren an der Macht gestürzt und getötet. Die Bevölkerung in Syrien protestierte 2011 erstmals gegen den Diktator Baschar al-Assad, der die Bevölkerung lange Zeit unterdrückt hatte. Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern sprühte Graffitis mit regimefeindlichen Äußerungen und wurde verhaftet. Dies brachte das Fass zum Überlaufen und führte zu einem Bürgerkrieg, der bis heute (Stand: 2024) andauert. In Syrien kamen durch das Zusammenleben unterschiedlicher Ethnien und Religionen auch andere Konflikte hinzu. Viele Menschen starben seither oder wurden aus dem Land vertrieben. Dies löste 2015 die Flüchtlingskrise in Europa aus. Folgen Die Protestwelle erreichte auch andere Länder wie Marokko, Algerien, Bahrain, den Irak, Jemen, Jordanien, Kuwait, Oman und Saudi Arabien. Die Menschen gingen für ein Ende der Unterdrückung durch autoritäre Regierungen auf die Straße. In den meisten Ländern kam es zu Regierungsumbildungen und politischen Reformen. Doch die anfänglichen Hoffnungen auf mehr Demokratie in der arabischen Welt wurden meist nicht erfüllt. O Industrialisierung, S. 68; Migration, S. 110 ÷ Die Bezeichnung „Arabischer Frühling“ ist eine Anspielung auf die als „Prager Frühling“ bezeichneten Ereignisse in der Tschechoslowakei 1968. Eine andere Bezeichnung für den Arabischen Frühling ist auch „Arabellion“. Diese setzt sich aus Arabien und Rebellion zusammen. P Korruption: Bestechlichkeit P Autokratie: Selbstherrschaft; Herrschaftsform, in der eine Einzelperson oder Personengruppe ohne Kontrolle regiert P Tahrir-Platz: bedeutender Platz in der Innenstadt von Kairo in unmittelbarer Nähe wichtiger ägyptischer Regierungsgebäude Muammar al-Gadaffi, Foto, 2009 P autoritär: diktatorisch; unbedingten Gehorsam fordernd Zehn Jahre nach Beginn des Arabischen Frühlings wird in einer Dokumentation des deutschen Senders ZDF folgende Schlussfolgerung gezogen: Der Arabische Frühling hat die Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens für immer verändert. Die Menschen haben erfahren, dass Herrscher gestürzt werden können. Viele haben das Chaos der Revolutionen mit ihrem Leben bezahlt und trotzdem kämpfen andere weiter dafür in einer gerechteren Welt zu leben. Der Arabische Frühling mag vorbei sein, aber sein Erbe lebt weiter. Richter, Zehn Jahre nach dem „Arabischen Frühling“, in: auslandsjournal. Youtube, 20. Mai 2021 Digitales Zusatzmaterial 6mb7e6 æ Analysiere die Karte mithilfe von M8. æ Beurteile die Folgen des Arabischen Frühlings unter Einbeziehung der Textquelle. æ Recherchiert in verschiedenen Tageszeitungen, was heute über die Länder des Arabischen Frühlings berichtet wird. Teilt euch dazu in Kleingruppen auf. Erstellt eine Übersicht. (HMK) A22 M8 Der Arabische Frühling und seine Folgen æ Beschreibe anhand des kurzen Videos die Stimmung auf dem Tahrir Platz in Kairo. Du findest es online oder in der QuickMedia App. æ Vergleiche sie mit den Erinnerungen des Reporters und nenne jeweils zwei Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede. (HMK) A23 Der ARD Korrespondent für Ägypten Jörg Armbruster berichtet über die Ereignisse in Kairo 2011: Es war eine unglaubliche Aufbruchsstimmung, eine traumhafte Zeit. Alle haben mitgemacht, unabhängig von ihrem gesellschaftlichen Hintergrund. Die Älteren brachten den Jüngeren, die tagelang dort ausharrten, Decken und Lebensmittel. Und auch junge Frauen waren dort, haben mit demonstriert – und die Männer dazu angehalten, den Platz während der ganzen Zeit bitteschön sauber zu halten. Hilt, Der Arabische Frühling, 2020, Planet Wissen.de Seitenverweis Hinweis auf Methoden- oder Technikkarte Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

5 Lernen mit Konzepten Am Ende jedes Großkapitels gibt es eine Seite mit Aufgaben. Diese helfen dir, historische und politische Zusammenhänge zu verstehen und einzuordnen. Lernen mit Konzepten Erster Weltkrieg 134 q Kausalität æ Ergänze zu den folgenden Ereignissen mithilfe des Schulbuchtextes die Ursache bzw. die Folge. æ Vergleicht eure Ergebnisse in der Klasse. æ Diskutiert anschließend mithilfe von T1 darüber, inwiefern solche Ereignisse eindeutige Ursachen bzw. Folgen haben. Ursache Folge Gavrilo Princip erschießt am 28. Juni 1914 Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand. Das Deutsche Reich erklärt, Österreich-Ungarn in einem Kampf gegen Serbien zu unterstützen. Das Russische Reich scheidet aus dem Krieg aus. Südtirol gehört seit 1918 zu Italien. q Konstruktivität æ Analysiere den Ausschnitt aus der Graphic Novel mithilfe von M2. æ Vergleiche die Darstellung mit der Kurzdoku zur Alpenfront im Ersten Weltkrieg online oder in der QuickMedia App. æ Bewerte, wie gelungen die Rekonstruktion ist. æ Arbeite Vor- und Nachteile von Grafic Novels zu historischen Themen heraus. Elender Krieg 1914–1919, Jacques Tardi, Graphic Novel, 2014, S. 59 5913 S1-16_D 22.07.10 13:59 Seite 13 elender krieg inhalt.indd 59 31.10.13 14:13 Digitales Zusatzmaterial 6tw3am 165 Methoden- und Technikkarten - Nenne das mögliche Thema des Bildes. - Arbeite aus der Bildbeschreibung oder dem beigefügten Text wichtige Angaben heraus: z. B. Auftraggeberin bzw. Auftraggeber, Künstlerin bzw. Künstler, zeitliche Einordnung. - Beschreibe die Wirkung des Bildes auf dich. - Analysiere Dinge, die dir auffallen: z.B. Haltung einer Person, Kleidung, verschönte oder realistische Darstellung, Tätigkeiten. - Ordne das Dargestellte (Personen, Gegenstände, Ort etc.) einem historischen oder politischen Zusammenhang zu. - Untersuche die Art und Weise der Darstellung: z.B. den Einsatz von Farben, die Anordnung von Personen und Gegenständen (wer oder was befindet sich im Zentrum). - Nimm dazu Stellung, inwiefern dieses Bild zum behandelten Thema passt. - Setze dich mit der möglichen Wirkung des Bildes auf Betrachterinnen und Betrachter zum Zeitpunkt seiner Entstehung auseinander. - Beurteile, ob mit der Darstellung ein bestimmter Zweck erreicht werden sollte. - Formuliere Fragen, die das Bild aufwirft. M1 Methodenkarte: Bildliche Quellen - Ermittle das Thema des Comics. - Arbeite die Haupt- und Nebenhandlungen heraus. Beachte dabei den Zusammenhang von Bild und Text. - Beschreibe das Aussehen der dargestellten Figuren. - Arbeite mögliche historische oder reale Vorbilder heraus. - Ordne das Dargestellte (Personen, Gegenstände, Ort etc.) einem historischen oder politischen Zusammenhang zu. - Untersuche, ob sich durch die Aneinanderreihung der Bilder ein historischer, politischer oder auch zeitlicher Verlauf ergibt. - Analysiere die Form der Darstellung: z.B. Farben, Gruppierung der Einzelbilder, Sprechblasen. - Untersuche, ob der Comic zu einem bestimmten Zweck verfasst wurde. - Beurteile anhand der Bild- und Textelemente, ob Teile der Geschichte erfunden sind oder wichtige historische Fakten fehlen. - Nimm Stellung dazu, ob der Comic eine geeignete Form der Darstellung dieses Themas ist. M2 Methodenkarte: Comic Methoden- und Technikkarten Am Ende von erleben und gestalten findest du Methodenkarten (M) und Technikkarten (T) für deine Aufgaben im Fach Geschichte und Politische Bildung. Sie bieten dir Unterstützung für die Umsetzung der kompetenzorientierten Arbeitsaufgaben auf den Kapitelseiten. 172 Methoden- und Technikkarten - Sammle ausreichend Informationen und Argumente zum Thema. - Arbeite Pro- und Contra-Argumente heraus, damit deine Meinung überzeugend wirkt. T1 Technikkarte: Diskussion 1- Beteilige dich aktiv an der Diskussion. - Höre aufmerksam zu und lasse andere ausreden. Beziehe deine nächste Wortmeldung auf die Vorrednerin bzw. den Vorredner. - Sprecht nicht durcheinander. - Bleibe sachlich und beim Thema. Tipp: Du kannst deine Meinung überdenken und auch ändern. - Verwende für deine Wortmeldungen „Ich-Botschaften“, soweit es ausdrücklich um deine persönlichen Gefühle geht. - Vermeide „Du-Botschaften“, durch die deinem Gegenüber Schuld oder Verantwortung zugeschoben wird. - Zwischenrufe oder Beleidigungen sind tabu. - Erstelle eine Liste mit Informationen, die du bereits zu einem bestimmten Thema gesammelt hast bzw. mit Punkten, die dir noch fehlen. Formuliere dazu Stichwörter, die du in eine Suchmaschine eingeben möchtest. - Lege einen Zeitrahmen für deine Arbeit am PC und die anschließende Bearbeitung der gefundenen Materialien (z.B. für die Erstellung einer Präsentation) fest. - Behalte bei der Suche immer dein Thema im Auge. - Ermittle die Anbieterinnen bzw. die Anbieter der Internetseiten (z.B. Privatperson, Organisation). Beurteile, ob diese mit ihren Informationen bestimmte Absichten verfolgen. Tipp: Vertrauenswürdige Informationen findest du beispielsweise auf Seiten offizieller Organisationen. - Bewerte, ob die Startseite eine schnelle Orientierung zulässt bzw. die Navigation sinnvoll und hilfreich ist. - Verwende weiterführende Links und Suchmöglichkeiten, die auf einer Seite angeboten werden, wenn sie für dein Thema hilfreich sind. - Achte bei der Ausarbeitung deiner Arbeitsergebnisse auf Übersichtlichkeit, Sachlichkeit, klare Struktur und eine überschaubare Stoffmenge. - Gib bei der Darstellung deiner Rechercheergebnisse alle verwendeten Internetseiten an. Verwende dafür die URL (http://www…) und das Datum deiner Suche. T2 Technikkarte: Internetrecherche 1 1 - Kläre, was du in Erfahrung bringen möchtest. - Formuliere dazu Fragen und stelle diese in einem Fragebogen zusammen. Tipp: Wähle möglichst einfache Fragen, sodass klare Antworten möglich sind. - Lege fest, ob du Antwortmöglichkeiten vorgeben möchtest. - Finde Personen in deiner Schule oder deinem Umfeld, die du befragen möchtest. Tipp: Vor der Durchführung der Umfrage musst du die Schule bzw. die Direktion informieren. - Werte die Umfrage aus: Fasse dazu die Ergebnisse der einzelnen Befragungen zusammen. Achtung: Die Auswertung muss wegen des Datenschutzes anonym stattfinden. - Stellt die Ergebnisse z.B. mithilfe eines Plakats, einer Wandzeitung oder eines Artikels in der Schülerzeitung dar. Tipp: Nutzt für die Darstellung eventuell einen PC (z.B. Diagramme, Statistiken). T3 Technikkarte: Umfrage 1 1 QuickMedia App 1. Scanne den QR-Code und lade die App auf dein Smartphone oder dein Tablet. 2. Scanne deinen Buchumschlag oder wähle dein Schulbuch in der App-Medienliste aus. 3. Scanne eine mit gekennzeichnete Buchseite oder wähle ein digitales Material aus der App-Medienliste aus. 4. Spiele die digitalen Materialien ab. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

6 Geschichte und Politische Bildung Kannst du dich noch erinnern? Du hast dich im letzten Schuljahr bereits mit vielen Themen und Quellen bzw. Darstellungen beschäftigt. Hier eine kleine Auswahl: aus der Neuen Welt aus Europa NORDAMERIKA EUROPA AFRIKA Kürbis Zitrusfrüchte Bananen Zuckerrohr Zwiebeln Oliven Ka ee P rsiche • Gerste • Hafer • Weizen • Reis • Kühe • Schafe • Pferde • Hühner Krankheiten • Pocken • Masern • Grippe • Typhus Krankheiten • Syphilis Truthahn Erdnüsse Erdäpfel Tomaten Mais Süßkarto eln Chili/Paprika Tabak Ananas Kakao Bohnen Vanille Historische und politische Kompetenzen Auch in diesem Schuljahr wirst du verschiedene Kompetenzen trainieren. Historische Kompetenzen Kompetenz Abkürzung Ziel Historische Methodenkompetenz HMK Umgang mit historischen Quellen und Darstellungen Historische Sachkompetenz HSK Kennenlernen von historischen Begriffen und Konzepten Historische Orientierungskompetenz HOK Verstehen der Gegenwart durch Lernen von Geschichte Historische Fragekompetenz HFK Fragen an die Vergangenheit stellen können Kompetenzen der Politischen Bildung Kompetenz Abkürzung Ziel Politikbezogene Methodenkompetenz PMK Grundlagen der Politikanalyse kennen und anwenden Politische Sachkompetenz PSK Kennenlernen von Begriffen und Konzepten der Politik Politische Handlungskompetenz PHK eigene Meinungen, Werte und Interessen formulieren und vertreten können; Angebote verschiedener Einrichtungen kennen und nutzen Politische Urteilskompetenz PUK ein selbstständiges und begründetes Urteil treffen können P Quelle: stammt aus der jeweiligen Zeit der Geschichte (z. B. schriftlich, bildlich) P Darstellung: spätere Erzählung über Geschichte (z.B. Film, PC-Spiel) P historisch: bedeutet geschichtlich, der Begriff bezieht sich auf die Geschichte bzw. auf vergangenes Geschehen P Kompetenz: Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft bestimmte Probleme zu lösen ÷ Neben der jeweils trainierten Kompetenz können sich folgende zusätzliche Angaben bei den Arbeitsaufträgen finden: LK (Lesekompetenz), AW (Arbeitswissen), FÜ_… (Fächerübergreifende Übung mit …) und Kreativaufgabe. æ Ordne die oben gezeigten Quellen und Darstellungen historischen oder politischen Themen zu. æ Formuliere mögliche Bildunterschriften. (HMK) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

7 q Zeiteinteilung | Zeitverläufe 1 Aspekte frühneuzeitlicher Kulturen aus europäischer Perspektive Renaissance 14.–16. Jh. Buchdruck mit beweglichen Lettern um 1450 Leonardo da Vinci 1452–1519 Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453 Kaiser Karl V. 1500–1558 Thesenanschlag von Martin Luther 1517 Reichstag von Worms 1521 Konzil von Trient 1545–1563 Augsburger Religionsfrieden 1555 Dreißigjähriger Krieg 1618–1648 Die Schule von Athen, Raffael, Fresko (Wandmalerei), Vatikan, 1510/11 (Vatikanstaat) „Die Schule von Athen“ (Original: La scuola di Atene) ist ein bedeutendes Werk der Kunstgeschichte. Es handelt sich um ein Fresko (Wandmalerei), das der italienische Maler Raffael in den Jahren 1510/11 im Vatikan angefertigt hat. Bei einem Fresko kommt eine spezielle Technik zur Anwendung: Die Farbe wird auf den noch feuchten Putz aufgetragen und verbindet sich damit stabil mit der Decke bzw. der Wand. Das Bild „Die Schule von Athen“ ist 7,7 Meter breit und an einer Wand eines Saales angebracht, der vom damaligen Papst genutzt wurde. Auch auf den anderen drei Wänden des Raumes wurden Fresken angebracht. Insgesamt gibt es im Vatikan vier Räume mit Fresken von Raffael, die sogenannten Stanzen des Raffael. Der Begriff leitet sich vom italienischen Wort stanza (Zimmer) ab. Auf dem Fresko „Die Schule von Athen“ sind viele Philosophen des antiken Griechenlands dargestellt. In der Mitte sind Platon und Aristoteles zu sehen, die miteinander sprechen. Raffael soll sich auch selbst abgebildet haben. In der Forschung ist allerdings umstritten, wer die einzelnen Figuren sein sollen. Das Fresko ist ein klassisches Werk der Renaissance (14.–16. Jh.). In dieser Zeit wurde gerne auf die Antike zurückgeblickt. Das antike Denken wurde als Ursprung der europäischen Kultur angesehen und verherrlicht. Digitales Zusatzmaterial 6hx7tf Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

8 Frühe Neuzeit Europa am Beginn der Neuzeit Umwälzungen Wie du im Vorjahr bereits gelernt hast, gab es zwischen 1450 und 1550 in vielen Bereichen entscheidende Veränderungen: æ Es wurden zahlreiche Erfindungen gemacht, æ naturwissenschaftliche Beobachtungen führten zu neuen Erkenntnissen, æ die Europäerinnen und Europäer entdeckten Teile der Welt, die ihnen unbekannt waren, æ das Denken der Menschen veränderte sich und æ der Einfluss der Kirche auf das Leben der Menschen wurde hinterfragt. Wir sprechen daher von einer neuen Epoche: der Neuzeit. Politik und Gesellschaft Im Mittelalter war die Herrschaft durch das Lehenssystem geregelt. Dies änderte sich in der Neuzeit: Es entstanden größere Territorialstaaten. Die ersten europäischen Staaten bildeten sich heraus. Die Einteilung der Menschen in Stände (Adel, Bürgertum und Bauern) und ihre unterschiedlichen Rechte und Möglichkeiten wurden kritisiert. Das Bürgertum wurde immer einflussreicher. Die Abhängigkeit der Bauern von ihren Grundherren blieb jedoch bis ins 19. Jh. bestehen. Neues Weltbild Die Kirche vertrat im Mittelalter die Meinung, die Erde stünde im Mittelpunkt des Universums. Diese Vorstellung wird als geozentrisches Weltbild bezeichnet. Der deutsche Domherr, Arzt und Astronom Nikolaus Kopernikus (1473–1543) stellte jedoch fest, dass die Sonne im Zentrum steht. Die Erde dreht sich mit anderen Planeten um sie. Man bezeichnet dies als heliozentrisches Weltbild. Der Übergang vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild wird auch als „kopernikanische Wende“ bezeichnet. Kirche und Wissenschaft Die katholische Kirche lehnte diese Forschungsergebnisse jedoch strikt ab. Sie wollte ihren starken Einfluss nicht verlieren. Der italienische Wissenschaftler Galileo Galilei (1564–1642) entwickelte die Erkenntnisse von Kopernikus weiter und wurde dafür von der Kirche zu einem Hausarrest verurteilt. Erst im 19. Jh. erkannte die katholische Kirche das heliozentrische Weltbild offiziell an. Die katholische Kirche stand der Wissenschaft selbst jedoch nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Der Augustinermönch Gregor Mendel entdeckte im 19. Jh. beispielsweise die Grundlagen der Vererbungslehre. Darstellung des geozentrischen Weltbildes von Hartmann Schedel, Schedelsche Weltchronik, 1493 Nikolaus Kopernikus, René Boyvin, Kupferstich nach einem zeitgenössischen Bildnis, 1580 ÷ Wir teilen die europäische Geschichte in fünf Epochen ein, doch beginnen und enden diese nicht plötzlich. Der Übergang ist fließend. Die Einteilung ist erst im Nachhinein durch Historikerinnen und Historiker entstanden. Einteilung der Geschichte nach Epochen P Territorialstaat: Staat, in dem sich der Herrschaftsanspruch der bzw. des Regierenden über ein bestimmtes Gebiet und dessen Bevölkerung erstreckt Digitales Zusatzmaterial 6i6jj4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

1 9 Darstellung des heliozentrischen Weltbildes nach Nikolaus Kopernikus, Kupferstich, koloriert, aus: Andreas Cellarius, Harmonia Macrocosmica, 1660 æ Vergleiche die Karte mit einem modernen Atlas von Mitteleuropa. „Österreich“ kannst du z.B. auf Karten dieser Zeit nicht finden. Obwohl schon 996 der Begriff „Ostarrîchi“ zum ersten Mal erwähnt wurde, gibt es erst 1804 ein Reich, das den Namen „Österreich“ trägt, das „Kaiserthum Oesterreich“. æ Benenne Staaten, die den heutigen in Bezug auf die Fläche ähneln. æ Suche dir einen Staat aus und formuliere zwei Fragen zur Entwicklung seines Gebietes. (HMK, HFK) A1 æ Beschreibe die Darstellung des heliozentrischen Weltbildes von Kopernikus so genau wie möglich. æ Vergleiche es mit der Darstellung des geozentrischen Weltbildes von Hartmann Schedel auf der vorigen Seite. Nenne zumindest drei auffällige Unterschiede. æ Diskutiert mithilfe von T1 in der Klasse über mögliche Gründe für die Ablehnung des heliozentrischen Weltbildes durch die katholische Kirche. (HMK, PUK) A2 T1 KGR. SPANIEN KGR. FRANKREICH O S M A N I S C H E S R E I C H ZARENTUM MOSKAU GRFSM. LITAUEN KGR. POLEN HEILIGES RÖMISCHES REICH KGR. SCHWEDEN KGR. PORTUGAL KIRCHENSTAAT CHANAT DER KRIM ZARENTUM KASAN CHANAT ASTRACHAN KGR. DÄNEMARK KGR. ENGLAND KGR. SCHOTTLAND IRLAND REP. VENEDIG KGR. NORWEGEN Kgr. Sardinien Kgr. Sizilien Kgr. Neapel Rep. Genua Mitteleuropa um 1500 0 320 640 960 km Maßstab 1: 32 000 000 Grenze des Heiligen Römischen Reiches Gebiet in osmanischer Abhängigkeit 0 320 640 960 km Maßstab 1: 32 000 000 Grenze des Heiligen Römischen Reiches Gebiet in osmanischer Abhängigkeit Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

10 Frühe Neuzeit Erfindungen Erleichterung des Alltags Seit jeher versuchen die Menschen, Hilfsmittel zu finden, die ihren Alltag vereinfachen. Manche Erfindungen beeinflussten das Leben der Menschen nachhaltig; viele sind bis heute in Gebrauch. Sie werden ständig weiterentwickelt. Der Buchdruck Eine folgenreiche Erfindung war der Buchdruck mit beweglichen Lettern aus Metall. Johannes Gutenberg entwickelte bereits bekannte Techniken zur Herstellung von Büchern weiter: Bei seinem Verfahren wurden die Lettern (Buchstaben) in einem Setzkasten so zusammengesetzt, wie sie für eine Seite nötig sind. Für den Druck verwendete man eine Presse (Druckerpresse). Trotz dieser einfacheren Herstellungsweise wurden die meisten Bücher zunächst weiterhin mit der Hand bebildert. Erst im 18. Jh. wurden Bücher in deutlich größeren Mengen produziert. Sehr häufig gedruckt wurde zunächst die Bibel. Buchdruckerwerkstatt, Jan Stradanus, Kupferstich, 1588 Bereits den Zeitgenossinnen und Zeitgenossen war die Bedeutung der Erfindung klar. Der Gelehrte Hartmann Schedel schrieb dazu: Dadurch [sind] die kostbaren Schätze schriftlicher Kunst und Weisheit[, die] so in alten Büchern lange Zeit als der Welt unbekannt in dem Grabe der Unwissenheit verborgen gelegen sind, danach an das Licht gelangt […]. [Wäre] diese Kunst eher erfunden worden und in Wissenheit und Gebrauch gewesen […], so wären […] viele Bücher […] hochgelehrter Leute nicht […] verloren worden. Schedel, Weltchronik, 1493, Fol 252v Rückgriffe auf bestehende Erkenntnisse Oft wurden bestehende Techniken weiterentwickelt. So hatte es schon im Mittelalter Uhren gegeben, beispielsweise in Kirchtürmen. Zu Beginn der Neuzeit konnten sie so klein gebaut werden, dass man sie in der Tasche tragen konnte. Die Taschenuhr wurde bald sehr beliebt. Viele technische Entwicklungen entstanden außerhalb Europas. Das Schwarzpulver zum Abfeuern von Schusswaffen wurde beispielsweise vermutlich in China erfunden. Es veränderte die Kriegsführung in Europa ab dem 13. Jh. enorm, denn mit diesen wurden schneller mehr Gegner getötet. 0 100.000 200.000 300.000 400.000 500.000 600.000 700.000 Produktion von gedruckten Büchern 1454–1800 (in tausend Büchern) Gutenberg-Bibel, erste Seite, vollendet in Mainz, Buchdruck, ca. 1455 ÷ Der Nürnberger Peter Henlein (1479–1542) war der erste namentlich bekannte Kleinuhrmacher. ÷ Online und in der QuickMedia App kannst du dir ansehen, wie eine Druckerpresse bedient wird. Digitales Zusatzmaterial 6i98wp Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

1 11 æ Benenne einzelne auf dem Kupferstich auf S. 10 dargestellte Handlungen beim Buchdruck. æ Arbeite die in der Textquelle auf S. 10 von Schedel beschriebenen Folgen der Erfindung heraus. æ Verfasse mithilfe der beiden Quellen eine kurze Erzählung: Stelle dir dazu vor, wie ein junger Gehilfe Gutenbergs von der Erfindung seines Arbeitgebers berichtet. (HMK) A3 Fahrrad Handy Plastik Dosenförmige, tragbare Uhr, um 1510 von Peter Henlein hergestellt Paul Dupin, Goldene Taschenuhr mit Übergehäuse, Foto, um 1725 Mathematisch-physikalischer Salon (Dresden, Deutschland) Glashütte Lange und Söhne, Goldene SprungdeckelTaschenuhr mit Mondphasen- und Wochentagsanzeige, Foto, 1930 Apple Watch, Smartwatch, Foto, 2016 Armbanduhr für Damen, 20. Jh. Von den Erfindungen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit sind viele heute noch in sehr ähnlicher Form in Gebrauch. Andere haben sich hingegen stark verändert. æ Beschreibe mithilfe der Abbildungen die Entwicklung der tragbaren Uhr. æ Ergänze das letzte Kästchen durch ein Bild einer Uhr, die du heute verwendest. æ Formuliere eine Frage zu möglichen Veränderungen für den Tagesablauf von Menschen durch die Erfindung von tragbaren Uhren. æ Beurteile die Bedeutung von Uhren für die Einteilung von Zeit. (HSK, HFK) A4 Erfindungen lösen oft Alltagsprobleme. Sie können auch weitreichendere Folgen haben. æ Ermittle mögliche (positive und negative) Auswirkungen der folgenden Erfindungen. (HSK) A5 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

12 Frühe Neuzeit Humanismus und Renaissance Humanismus Im Mittelalter bestimmte die Religion das Leben der Menschen. Im 15. Jh. begannen italienische Gelehrte und Künstler (Humanisten), diese Einstellung zu hinterfragen. Die Vorstellung, dass das Leben nur die Vorstufe auf die Zeit nach dem Tod (Jenseits) sei, wurde schrittweise abgelöst. Man beschäftigte sich mehr mit dem Leben in der Gegenwart (Diesseits) und rückte das Individuum in den Mittelpunkt. Damit entstand ein neues Menschenbild. Die Humanisten gewannen ihre Erkenntnisse nicht mehr nur aus der Bibel. Stattdessen beobachteten sie die Natur und beschäftigten sich vermehrt wieder mit Texten der griechischen und römischen Antike (z.B. Homer oder Cicero). Viele davon waren im Mittelalter in Vergessenheit geraten. Die wiederentdeckten Schriften der Antike verbreiteten sich infolge des Buchdrucks. Von Italien breiteten sich die humanistischen Ideen über ganz Europa aus. Bekannte Humanisten waren beispielsweise Francesco Petrarca, Nikolaus Kopernikus oder Erasmus von Rotterdam. Frauen war in dieser Zeit der Zugang zu einer höheren Ausbildung meist nicht möglich. Renaissance Auch in der Kunst gab es eine neue Begeisterung für die Antike. Man nennt diese Zeit Renaissance (franz. „Wiedergeburt“). Dabei handelt es sich um eine von Italien ausgehende geistige Bewegung, die um 1400 begann und bis zum 16. Jh. dauerte. Sie war geprägt durch die Wiederentdeckung der Geisteshaltung, Sprache, Kunst und Literatur der Antike. Heute spricht man von dieser Zeit oft als Renaissance-Humanismus. Kunst in der Renaissance Wichtige Künstler dieser Zeit waren beispielsweise Michelangelo Buonarroti, Raffael Santi oder Albrecht Dürer. Man geht davon aus, dass auch Frauen künstlerisch tätig waren. Sie durften ihre Werke aber nicht unter dem eigenen Namen veröffentlichen. Daher sind heute keine bekannt. Die Renaissancekünstler hatten ein neues Selbstverständnis: Sie fühlten sich nicht mehr nur als reine Handwerker, sondern als kreative Schöpfer eines Kunstwerks. Deshalb begannen sie, ihre Werke zu signieren. Sie arbeiteten nicht mehr hauptsächlich für die Kirche, sondern auch vermehrt für Adelige. Diese ließen sich ihre Paläste im Stil der Zeit ausstatten oder kauften Kunstwerke. So entstanden erste Sammlungen, die eine wichtige Grundlage für heutige Museen sind (z.B. Schloss Ambras in Innsbruck). Einige Adelige waren auch als Mäzene tätig. In dieser Zeit entstanden viele große Kirchengebäude mit riesigen Kuppeln. Berühmte Bauwerke im Renaissancestil sind beispielsweise der Dom zu Florenz, der Petersdom in Rom, das Landhaus in Graz oder die Schallaburg in Niederösterreich. Leonardo da Vinci Leonardo da Vinci gilt als das Ideal des Renaissance-Menschen. Er wird auch als Universalmensch („uomo universale“) bezeichnet, da er in ganz unterschiedlichen Bereichen tätig war. Neben der Malerei und Bildhauerei zeichnete er Pläne von technischen Gerätschaften. Da Vinci forschte auch im Bereich der Naturwissenschaften. Er hinterließ rund 13.000 Seiten an wissenschaftlichen Notizen in Spiegelschrift, technischen Plänen und anatomischen Skizzen. Dazu untersuchte er auch die Körper von Toten, was die Kirche damals streng verbot. P Humanismus: von lat. humanitas (Menschlichkeit); Strömung, die sich mit dem Menschen beschäftigt P Individuum: der einzelne Mensch mit seinen Besonderheiten Albrecht Dürer, Signatur, 1502 P signieren: als Urheberin bzw. Urheber das Werk mit der eigenen Unterschrift versehen P Mäzenin bzw. Mäzen: Person oder Institution, die mit Geld z.B. Künstlerinnen bzw. Künstler oder Sportlerinnen bzw. Sportler unterstützt und fördert P Leonardo da Vinci (1452–1519): italienischer Maler, Bildhauer, Architekt, Wissenschaftler und Erfinder; gilt als einer der berühmtesten Universalgelehrten aller Zeiten P anatomisch: den Bau des menschlichen oder tierischen Körpers betreffend Digitales Zusatzmaterial 6ia29w Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

1 13 Das Abendmahl, Leonardo da Vinci, Wandgemälde, 1495–97, Kloster Santa Maria delle Grazie (Mailand, Italien) Luftschraube, Leonardo da Vinci, Zeichnung, um 1500, Bibliothek des Instituts von Frankreich (Paris, Frankreich) æ Analysiere mithilfe von M1 eines der Werke da Vincis. Ein weiteres findest du auch online oder in der QuickMedia App. æ Weise mithilfe des Schulbuchtextes anhand von mindestens zwei Merkmalen nach, dass dieses Werk aus der Zeit des Renaissance-Humanismus stammt. æ Recherchiert in Kleingruppen mithilfe von T2 im Internet oder in der Schulbibliothek zu einem anderen Künstler der Renaissance (z.B. Michelangelo, Raffael, Donatello). æ Diskutiert mithilfe von T1 die Bedeutung der Kunst der Renaissance heute. Geht zum Beispiel auf aktuelle Ausstellungen oder den Wert von Werken aus dieser Zeit ein. (HMK, HOK) A6 M1 T1 T2 Digitales Zusatzmaterial 6ij75i Mona Lisa, Leonardo da Vinci, um 1503/05, Louvre (Paris, Frankreich) Selbstbildnis, Leonardo da Vinci, Zeichnung, 1515, Königliche Bibliothek (Turin, Italien) Anatomische Studien des Schädels, Leonardo da Vinci, 16. Jh. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

14 Frühe Neuzeit Individuum Entdeckung des „Individuums“ In unserer heutigen Gesellschaft wird anerkannt, dass jede und jeder so leben darf, wie sie oder er es möchte. Wir sprechen von „Individualismus“. Das war aber nicht immer so: Bis in die Neuzeit wurde jedem Menschen eine bestimmte Rolle in der Gesellschaft zugedacht. Wenn man sich nicht so verhielt wie vorgesehen, konnte man leicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Das betraf beispielsweise Menschen, die nicht heiraten wollten oder Widerstand gegen die Kirche leisteten. Ab der Zeit des Renaissance-Humanismus (Beginn 15. Jh.) wurden diese festen Rollen zunehmend infrage gestellt. Die Menschen begannen sich mehr mit sich selbst zu beschäftigen. Persönliche Verwirklichung rückte ins Zentrum. Daher nahmen die Menschen Einschränkungen und Unterdrückung nicht mehr ohne Widerspruch in Kauf. Auch Kunst und Wissenschaft widmeten sich dem Menschen als Individuum. Ab der Renaissance wuchs das Interesse an individuellen Porträts. Vor allem Adelige, Bankiers oder Kaufleute ließen sich darstellen. Schriftliche Selbstzeugnisse In der Neuzeit begannen die Menschen vermehrt, über sich selbst (z.B. Tagebücher) oder ihre Familie (z.B. Familienchroniken) zu schreiben. Seit dem Spätmittelalter waren Haus- und Familienbücher gebräuchlich, in denen oft über viele Generationen hinweg Geburten, Taufen, Hochzeiten und Todesfälle eingetragen wurden. Auch Angaben zu Wetter, Ernten, Einkünften und Ausgaben sowie Segenssprüche wurden notiert. Im folgenden Ausschnitt aus dem „Schreibebuch“ der wohlhabenden Familie Caließ aus Brandenburg (Norddeutschland) berichten Johann Christian Caließ sen. und jun. über ihre tägliche Arbeit, ihre Familie und wichtige Ereignisse in der Zeit zwischen 1772 und 1841. […] Den 17. ist Mein alter Fetter Johann Friderich Calies gestorben und den 20 ten begraben; sein alter 75 Jahr 10 Monat und 13 Tage, 1816 im september. Den 11. Juli hat das gewitter bei der Witwe Kemnitzen Eingeschlagen in den Kuhstal, 1813, nachmitag 4 Uhr. Den 21. selben mohnaths habe ich Ein neuhe Kripe in Pferdestal, eine Eichen, reingebracht; sie kostet 6 r kurand. […] Den 25. Mertz ist mein schwager soldat geworden; sein Name Johann Friderich Jansen, 1815. Den 5. Janniwari ist meine schwegerin ihre hochzeit gewesen. Ihr Man heist Schlöweke, ein schiffer in Zedenik, sie heist Maria Hinrieta Jansen, 1813. Den 20. Februari sind die Rusen in Oranicnburch gekommen, 6 000 Mann, 1813. […] Den 24. und 25 ten may Anno 1781 ist Alles Ferfruren; habe das Jahr gekoft: Erstens 12 scheffel Rogen [Roggen], scheffel 1 thl [Taler] 8 g [Groschen], m[acht] 16 thl. 2 tens 16 scheffel Fur 22 thl 9 g, Rogen. 3 tens 7 scheffel Rogen Fur 10 thl 12 g. […] 6 tens l sach Mehl Aus Berlin Fur 5 thl. […] Daß Bluth Jesu Christi, des Sohnes Gottes, Wasche und Reinige dich durch daß Badt der Heiligen Tauffe von Allen Deinen sünden; daß wünschet von Hertzen deine getreue Tauffzeugin […], den 17 ten August 1783. Scheutz; Tersch, Selbstzeugnisse der Frühen Neuzeit, 2000, S. 23 (bearbeitet) ÷ Da es in der Renaissance (und auch danach) sehr teuer war, ein Gemälde anfertigen zu lassen, gibt es aus jener Zeit wenige Bilder von Personen, die nicht dem Adel oder dem Bürgertum angehörten. ÷ Das Schreibebuch der Familie Caließ wurde in umgangssprachlichen Begriffen verfasst. So bedeutet „mohnath“ bzw. „monad“ Monat bzw. Monate oder „Janniwari“ Jänner. Es weicht auch von den heute gebräuchlichen Regeln der Groß- und Kleinschreibung ab. Die Eintragungen sind chronologisch ungeordnet und nicht immer mit einem Datum versehen. P Kurant oder Kurantmünze: Münze, deren Metallwert mindestens dem aufgeprägten Nennwert entspricht P Scheffel: Maßeinheit für 55 Liter Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

1 15 Selfie vor dem Maria-TheresienDenkmal in Wien, Foto, 2017 æ Der Humanismus war das Zeitalter des Individuums. Gestalte einen kreativen Beitrag über dich (Text, Bild, Collage, etc.). æ Erkläre, was dich als Individuum einzigartig macht. (Kreativaufgabe) A7 æ Porträts sollten sowohl das Aussehen der Dargestellten zeigen als auch idealisiert und dem jeweiligen Schönheitsideal angepasst sein. Wähle eines der beiden Porträts unten aus und analysiere es mithilfe von M1. æ Stelle es anschließend dem modernen Selfie gegenüber. Nenne mindestens drei Unterschiede. æ Nimm zur Bedeutung von Selbstporträts früher und heute Stellung. (HMK) A8 M1 æ Nenne die im Schreibebuch der Familie Caließ auf S. 14 genannten Ereignisse. æ Analysiere die Textquelle mithilfe von M16. æ Formuliere jeweils eine Frage, die mithilfe der Textquelle beantwortbar bzw. nicht beantwortbar ist. (HMK, HFK) A9 M16 Porträt der Elisabetta Gonzaga, Raffaelo Santi, Gemälde, 1504/06, Uffizien (Florenz, Italien) Porträt Zar Peters des Großen, Jean Marc Nattier, Gemälde, 1717, Residenzmuseum (München, Deutschland) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

16 Frühe Neuzeit Liebe und Ehe in der Neuzeit Das Leben in der Frühen Neuzeit Bis etwa zum 10. Lebensjahr galten Menschen in der Frühen Neuzeit als Kinder. Die Kindheit war durch viele Herausforderungen (wie z.B. schwere körperliche Belastung, Krankheiten oder Unfälle) geprägt. Kinder mussten früh arbeiten und zum Unterhalt der Familie beitragen. Die meisten Kinder erhielten keine schulische Bildung. Als Jugendzeit gilt die Zeit zwischen Kindheit und Eheschließung. Von der Zweckehe zur Liebesheirat Für die Menschen der Frühen Neuzeit war eine Eheschließung oft wirtschaftlich notwendig. Die meisten Familien hatten nicht die finanziellen Mittel, eine unverheiratete erwachsene Frau zu erhalten. Für Männer brachte die Ehe eine weitere Arbeitskraft in den Haushalt. Die Hochzeit erfolgte damals oft nach Eintritt der Geschlechtsreife mit ca. 15 bis 18 Jahren. In ärmeren Familien konnten sich viele jedoch in diesem Alter noch keinen eigenen Haushalt und Familie leisten und heirateten daher erst später. Meist gab es keine freie Wahl der Ehepartnerin bzw. des Ehepartners. Häufig entschieden die Familien über Eheschließungen. Die Frau arbeitete oft als Gehilfin ihres Mannes, in seinem Gewerbe oder auf seinem Hof. Manche Frauen waren aber auch als Hebammen oder gemeinsam mit ihren Ehemännern als Amtsfrauen (z.B. als Verwalterinnen von Kranken- oder Kinderhäusern) tätig. Im Zuge der Industrialisierung (ab Mitte des 18. Jh.) begannen immer mehr Frauen außerhalb des Haushalts zu arbeiten. Damit wurde der Wert ihrer Arbeit finanziell durch einen Lohn messbar. Dies wirkte sich auf die eheliche Beziehung aus, weil Frauen selbstbewusster wurden und neue Möglichkeiten der Lebensplanung sahen. Im 19. Jh. entstand in Europa und Nordamerika die Vorstellung von romantischer Liebe. Ehen wurden nicht mehr nur aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen. Die emotionale Verbindung zwischen zwei Menschen wurde immer wichtiger. Liebe und Sexualität Nach Auffassung der katholischen Kirche sollte der Geschlechtsakt allein dem Zeugen von Kindern dienen. Protestantischen Gläubigen hingegen war der Geschlechtsverkehr in der Ehe auch ohne den Wunsch, Kinder zu zeugen, gestattet. Bis ins 20. Jh. war Sexualität in Mitteleuropa nur in der Ehe erwünscht. Die gesellschaftliche Realität sah hingegen anders aus. Je nach Region gab es verschiedene Normen und Strafen für außerehelichen Geschlechtsverkehr. Unterschiede gab es auch zwischen den Gesellschaftsgruppen und Geschlechtern. Außerehelicher Geschlechtsverkehr war z.B. bei männlichen Adeligen eher akzeptiert. Bei weiblichen Adeligen wurde die Jungfräulichkeit der Braut vorausgesetzt, um sicherzustellen, dass der Ehemann eindeutig der Vater der Kinder ist. Besonders schwer hatten es Frauen, die durch vorehelichen Geschlechtsverkehr ihre Jungfräulichkeit und damit ihre soziale Ehre verloren hatten oder sogar ungewollt schwanger wurden. Sie wurden an den Rand der Gesellschaft gedrängt und hatten in der Folge kaum Aussicht auf eine Eheschließung und die damit verbundene Absicherung. Unehelich geborene Kinder wurden auch oft viel schlechter behandelt als eheliche. O Industrialisierung, S. 67 ÷ Lange Zeit wurden Begriffe wie Familienoberhaupt oder Haushaltsvorstand automatisch dem Mann zugeordnet. Das erklärt sich aus der untergeordneten Stellung der Frauen bis ins 19. Jh. Die Eheleute waren aber auch aufeinander angewiesen. Der Schuster, W. J. Makowski, Gemälde, 1882, Staatl. russisches Museum (St. Petersburg, Russland) ÷ In vielen Staaten der Welt gilt eine Heirat aus Liebe heute als Ideal. Es gibt aber auch noch viele Gesellschaften, in denen Ehen nach wie vor zwischen den Familien vereinbart werden (z.B. Zwangsehen). ÷ Viele hohe Adelige hatten offizielle Geliebte, sogenannte „Mätressen“. So war z.B. Madame de Pompadour die Mätresse des französischen Königs Ludwig XV. Marquise de Pompadour mit Muff, François-Hubert Drouais, Gemälde, 1763 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

1 17 æ Arbeitet in Kleingruppen. Beschreibt die folgenden Bilder jeweils in einigen Sätzen. æ Gebt ihnen einen passenden Titel. Tauscht euch in der Klasse über eure Titelwahl aus und begründet sie. æ Erzählt euch gegenseitig über das mögliche Kennenlernen und Leben der dargestellten Personen. (HMK) A10 In vielen geschichtskulturellen Produkten (z.B. Filmen) wird die Beziehung von Männern und Frauen in der Neuzeit als romantische Liebesgeschichte erzählt. Das kann zu einem falschen Geschichtsbild führen, wenn z.B. wirtschaftliche Beweggründe für Eheschließungen nicht thematisiert werden. Sucht euch in Gruppen einen Spielfilm(ausschnitt) aus, der in der Neuzeit spielt. æ Analysiert diesen mithilfe von M6. æ Arbeitet Bewertungen zu Liebe und Geschlechterverhältnissen in dem Spielfilm(ausschnitt) heraus. (HMK) A11 M6 Hört euch die Folge „Ungewollt schwanger um 1700 – Katharina Hochstrasser“ aus dem Podcast radioWissen von Anfang bis Minute 04:21 an. Ihr findet sie online oder in der QuickMedia App. æ Bildet Kleingruppen: Gebt in eigenen Worten wieder, was das „Verbrechen“ von Katharina Hochstrasser war. æ Erklärt mithilfe der Bildquelle die Bestrafung mit der Schandgeige. æ Nehmt dazu Stellung, inwiefern das Unglück der damaligen Menschen für Historikerinnen und Historiker heute ein „Glücksfall“ ist. (HMK) A12 Digitales Zusatzmaterial 6ik5k8 Schandgeige, mit Öffnungen für Hals und Handgelenke, Foto, o.J. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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