90 Mittelalter Medizin und Heilkunst Wissensstand der Medizin Im Mittelalter starben Menschen an Krankheiten, die heute geheilt werden können. Die Heilkunst des Mittelalters unterscheidet sich sehr von der heute ausgeübten Medizin. Man griff damals v.a. auf das medizinische Wissen der Antike zurück, wie z.B. die Viersäftelehre. Im Mittelalter wusste man noch wenig über die Anatomie des Menschen oder über Abläufe im Körper, wie z.B. den Blutkreislauf. Für eine Erkrankung machten die Ärzte daher oftmals natürliche Ursachen (z.B. Hitze, Feuchtigkeit, Giftstoffe, Würmer, üble Gerüche) oder eine fehlerhafte Lebensführung sowie den Zorn Gottes verantwortlich. Medizinische Behandlungen Um Krankheiten zu behandeln, versuchte man, die giftigen Stoffe aus dem Körper herauszubringen (Diäten, Schwitzkuren, Aderlass). Chirurgen, damals Wundärzte genannt, führten sogar größere Operationen wie Schädelöffnungen oder Amputationen durch, allerdings ohne Narkose wie wir sie heute kennen. Einige Menschen haben diese Eingriffe überlebt, wie Skelettfunde aus dem Mittelalter bezeugen. Manchmal waren z.B. herausgetrennte Schädelstücke wieder eingewachsen. Frauen in der Medizin Nicht nur Männer waren im medizinischen Bereich tätig, sondern auch Frauen: z. B. als Hebammen und Kräuterfrauen. Viele dieser Frauen sind aufgrund fehlender Quellen heute aber unbekannt. Eindeutig belegt sind einige jüdische Ärztinnen. Von ihnen sind meist nur die Vornamen bekannt, wie im Fall der Ärztin Sarah, die 1419 eine Genehmigung des Würzburger Bischofs erhielt, innerhalb seines Bistums medizinisch tätig zu werden. Seuchen und Krankheiten Trotz der Entwicklung einer ärztlichen Ausbildung an den Universitäten im Hochmittelalter waren Ärzte gegen die Pestepidemien machtlos. Das galt auch für andere Infektionskrankheiten wie Pocken, Masern, Grippe oder Lepra, für die noch keine Heilmittel bekannt waren. Nach heutigem Wissen breitete sich die Pest von Zentralasien über Handelswege nach Westen aus. Die Hafenstadt Caffa (heute Feodossija) auf der Halbinsel Krim war ein wichtiger Handelsstützpunkt für Kaufleute aus Genua. Um 1347 gelangte die Pest von dort mit Handelsschiffen nach Italien und verbreitete sich über fast ganz Europa. Etwa ein Drittel der Bevölkerung Europas (ca. 20 bis 25 Millionen) starb an der Pest. Sie wurde später auch als „Schwarzer Tod“ bezeichnet. Städte waren besonders stark von der Pest betroffen. Dort lebten viele Menschen auf engstem Raum zusammen und es gab keine Stadtreinigung wie heute (z.B. Abfallbeseitigung, Kanalsysteme). P Viersäftelehre: die vier Körpersäfte (Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle) wurden für Gesundheit und Wohlbefinden oder Krankheit verantwortlich gemacht P Anatomie: Lehre vom Bau des menschlichen Körpers › Beim Aderlass wurde einem Menschen eine größere Menge venöses (sauerstoffarmes) Blut entnommen. Heute wird das im Mittelalter weit verbreitete Heilverfahren kaum noch angewandt. Mittelalterliche Darstellung eines Aderlasses, Holzschnitt, nachkoloriert, 1480 (o. O.) › Die Bezeichnung „Schwarzer Tod“ kommt von den schwarzen Flecken und Beulen auf der Haut, die die Erkrankten nach einer Infektion bekamen. Der Begriff wurde im 16. Jh. zum ersten Mal verwendet, um die schreckliche Pestepidemie des 14. Jh. zu beschreiben. Pestarzt, Holzschnitt, nachkoloriert, 1482 (o.O.) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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