erleben und gestalten 2 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

86 Mittelalter Leben in der mittelalterlichen Stadt Der Marktplatz − wichtiges Zentrum der Stadt Die Bevölkerung in den mittelalterlichen Städten nahm stetig zu. Es wurden immer mehr Güter benötigt. Bauern aus der Umgebung belieferten die Stadt mit Lebensmitteln. Spezialisierte städtische Handwerksbetriebe (z.B. Bäcker, Tischler, Schuster, Webereien, Schmiede) boten Waren oder Dienstleistungen an. Reisende Händler versorgten die Stadt mit Produkten, die in entfernten Regionen hergestellt wurden (z.B. Gewürze, wertvolle Stoffe). Der Markt hatte noch eine andere wichtige Bedeutung: Beim Einkauf konnten die Menschen Neuigkeiten austauschen. Der Marktplatz war für die Stadtentwicklung im Mittelalter sehr wichtig, in seiner Nähe wurde oft auch das Rathaus errichtet. Wohnen und arbeiten in der Stadt Reichere Bürgerinnen und Bürger bewohnten meist größere Häuser aus Stein. Ärmere Menschen lebten in einfachen Holzhäusern mit kleinen und oft dunklen Räumen. Die wenigen Fenster verschloss man mit Fensterläden oder Leinwänden, um die Wärme im Haus zu halten. Es gab einfache Möbel und Liegeflächen aus Stroh und Fell als Bett. Im Mittelalter waren Arbeits- und Wohnstätte nicht getrennt, Kaufleute und Handwerker nutzten ihre Häuser für beide Zwecke (z.B. Laden oder Werkstätte im Erdgeschoß, Schlafräume im oberen Stock). Zünfte und Gilden – Interessensvertretungen entstehen Kaufleute schlossen sich in Gilden und Handwerker zu Zünften zusammen, um ihre Interessen zu schützen und den Handel zu regeln. Sie legten Preise, Qualität und Größe der Waren fest, bestimmten Löhne und Arbeitszeit sowie die Anzahl der Lehrlinge und Gesellen. Bei Verstößen gegen die Zunftordnung musste eine Strafe bezahlt werden. Um in eine Zunft aufgenommen zu werden, musste man u.a. den Beruf erlernt haben und Geselle sein. Jede Zunft hatte ihre typische Kleidung und eine Art Wappen – das Zunftzeichen. In manchen Städten waren auch Frauen Mitglieder von Zünften, die in den Werkstätten ihrer Ehemänner arbeiteten oder selbstständig ein Handwerk ausübten. Jüdinnen und Juden In mittelalterlichen Städten waren Jüdinnen und Juden oft rechtlich benachteiligt. Seit dem 13. Jh. forderte die Kirche, dass sie ihre Kleidung farblich kennzeichneten und in eigenen Stadtvierteln (sogenannte Ghettos) lebten. Jüdinnen und Juden durften kein Handwerk ausüben. Daher arbeiteten sie als Ärztinnen und Ärzte, waren Händler oder Geldverleiher. Christen war es nämlich lange Zeit verboten, Geld gegen Zinsen zu verleihen. Aufgrund falscher Beschuldigungen, z.B. dass sie Brunnen vergiftet hätten, oder weil sich Menschen bei ihnen verschuldet hatten, wurde die jüdische Bevölkerung oftmals grausam verfolgt und aus den Städten vertrieben. Untere Schicht und soziale Randgruppen Auf der untersten sozialen Stufe waren neben Kranken und Obdachlosen Angehörige der Berufe, die als unehrenhaft galten. Dazu zählten Berufe, die mit der Verwertung von toten Tieren zu tun hatten (z.B. Gerber, Färber, Schuster) sowie Henker, Totengräber, Spielleute und Prostituierte. Diese Menschen waren politisch rechtlos, aber persönlich frei. Färberwerkstatt, Buchmalerei, 15. Jh. › Die Kaufleute wurden rasch zur reichen städtischen Oberschicht (Stadtadel, Patrizier) und teilten die politische Macht unter sich auf. Bis ins 14. Jh. konnten nur sie das Bürgermeisteramt übernehmen und in den Stadtrat gewählt werden. Handwerker forderten ebenfalls politische Mitsprache, die in vielen Städten auch mit Gewalt gegen die Patrizier erkämpft werden musste. › Die Städte unterteilten sich in Stadtviertel, um die Organisation von Gemeinschaftsaufgaben wie Brandbekämpfung, Steuereintreibung oder die soziale Fürsorge zu erleichtern. › Heute bezeichnet man die aus den Zünften entstandenen Interessensvertretungen verschiedener Handwerksberufe als Innungen. Arzt mit gelbem Judenhut, Nachzeichnung (Bildausschnitt), 13. Jh. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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