erleben und gestalten 2 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

112 Begegnungen Langfristige Folgen des Kolonialismus Ende der Kolonialreiche Die europäischen Mächte errichteten im Laufe der Zeit Kolonien auf allen anderen Kontinenten. Die meisten ehemaligen Kolonien wurden im Laufe der Zeit, v.a. in der zweiten Hälfte des 20. Jh., zu unabhängigen Staaten. Allerdings wurden nicht alle Kolonien unabhängig. Dort gibt es heute teilweise Unabhängigkeitsbewegungen. So wurde beispielsweise in Neukaledonien (Inselgruppe im südlichen Pazifik) 2021 bereits zum dritten Mal über eine Unabhängigkeit von Frankreich abgestimmt. Die Bevölkerung entschied sich allerdings, weiter bei Frankreich zu bleiben. Langfristige Folgen des Kolonialismus æ Viele Staaten blieben auch nach ihrer Unabhängigkeit arm. Sie werden Entwicklungsländer genannt, weil sie nach wie vor wirtschaftlich von den ehemaligen Kolonialmächten abhängig sind. æ In vielen Staaten gibt es seit dem Rückzug der Kolonialmächte keine stabilen politischen Verhältnisse. In Afrika herrschen bis heute viele Bürgerkriege, da die Grenzen ohne Rücksicht auf die Siedlungsräume von Volksgruppen gezogen wurden. æ In den Staaten des Commonwealth of Nations (53 Mitgliedstaaten) hat die britische Monarchin bzw. der britische Monarch noch immer den Vorsitz; in 16 von diesen ist sie bzw. er nach wie vor Staatsoberhaupt, z.B. in Kanada. æ Während der Kolonialherrschaft wurden in den Gebieten die europäischen Sprachen verbreitet. Diese sind in vielen Staaten bis heute die Amtssprache. Kritische Auseinandersetzung in der Gegenwart Im 21. Jh. wird zunehmend eine kritische Auseinandersetzung mit dem Verhalten der europäischen Kolonialmächte gefordert. Verlangt wird eine Änderung von gesellschaftlichen Einstellungen und politischen Machtverhältnissen. So wird beispielsweise kritisiert, dass sich westliche Medien selten mit der Lage in Afrika befassen. Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus zählt auch, dass die Verwendung bestimmter Begriffe abgelehnt wird. So wurde das Wort „Mohr“ beispielsweise früher für Menschen mit dunkler Hautfarbe verwendet. Damit verbunden waren bestimmte stereotype Vorstellungen. Daher wird das Wort heute vielfach ersetzt. Auch die Süßspeise „Mohr im Hemd“ wird meist unter einem anderen Namen verkauft. Aufarbeitung der Vergangenheit Eine Aufarbeitung von Verbrechen während der Kolonialherrschaft erfolgte erst viele Jahrzehnte nach dem Ende der großen Kolonialreiche. So entschuldigte sich beispielsweise die deutsche Bundesregierung erst 2004 für den Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia (Afrika) in den Jahren 1904 bis 1908. Viele Museen denken derzeit darüber nach, wie sie mit kolonialem Sammlungsgut umgehen sollen. Neben geraubten Kulturgütern zählen hierzu auch menschliche Überreste. Diese wurden während des Imperialismus in sogenannten Völkerschauen gezeigt. Zahlreiche Staaten wie Namibia oder Nigeria wollten nach ihrer Unabhängigkeit wiederholt die Rückgabe (Restitution) ihres Kulturerbes erreichen. Europäische Museen mit kolonialen Sammlungen argumentieren jedoch, dass es sich um ein „Erbe der Menschheit“ handle, das nicht von einem bestimmten Staat beansprucht werden könne. › Ab dem Ende des 16. Jh. hatten nach Portugal und Spanien auch andere europäische Länder Entdeckungs- und Eroberungsfahrten unternommen. Die Niederlande, England und Frankreich errichteten wie Spanien und Portugal in den eroberten Gebieten Kolonien. Ab dem 19. Jh. waren Belgien, das Deutsche Reich sowie Italien ebenso Kolonialmächte und auch das Russische Reich erweiterte sein Herrschaftsgebiet. Zu Beginn des 20. Jh. herrschten die USA und Japan ebenso über Kolonien. P Stereotyp: einprägsame, bildhafte und vereinfachte Darstellung einer Behauptung; oft nicht auf Einzelfälle zutreffend (z.B. Tirolerinnen und Tiroler lieben die Berge) › Bedeutende koloniale Sammlungen besitzen u.a. das British Museum (London), das musée du quai Branly (Paris), das Königliche Museum für Zentral-Afrika (Brüssel), das Ethnologische Museum im Humboldt Forum (Berlin) und das Weltmuseum (Wien). › Deutsche Truppen töteten zehntausende Herero und Nama im heutigen Namibia (Afrika). Dies gilt heute als Völkermord. P Restitution: Rückerstattung oder Abgeltung geraubter, enteigneter und zwangsverkaufter Kulturgüter (z.B. Kunstgegenstände) Digitales Zusatzmaterial x3r7ag Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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