61 Die Olympischen Spiele 1936 1936 fanden die Olympischen Spiele in Berlin statt. Das ab 1933 herrschende NS-Regime stand nicht hinter dem olympischen Gedanken, nutzte aber die Spiele als gewaltige Propagandabühne, auf der sich Deutschland der Welt präsentieren konnte. Man zeigte sich friedlich und verbot für die Dauer der Spiele antisemitische Parolen. Auch zwei jüdische Sportler/innen durften Deutschland vertreten. Helene Mayer, die Tochter eines jüdischen Arztes, gewann sogar die Silbermedaille im Fechten (M1). Boykottbestrebungen Frankreichs und der USA wurden letztlich nicht realisiert. Knapp 3 Millionen Besucher/innen zeigten sich von den Spielen und dem Rahmenprogramm ähnlich begeistert wie die Presse. Politikwissenschaftler Peter Filzmaier über die Spiele von 1936 (2007) Konkrete innenpolitische Funktionen der Spiele waren eine Förderung von Massenloyalität bzw. des nationalen Zusammengehörigkeitsgefühls durch Integrations- und Identifikationseffekte, die Ablenkung von inneren Schwierigkeiten und als Nebenaspekt Spekulationen auf den wirtschaftlichen Nutzen. Außenpolitisch kamen ein internationaler Prestigegewinn im Kampf gegen Isolationsbestrebungen und die Darstellung als demokratischer Staat hinzu. M3: Filzmaier: Olympische Spiele, Politik und Medien 1896–1992. In: Medienimpulse, Nr. 62, 2007, S. 21. Viele Olympiateilnehmer/innen von 1936 wurden später Opfer von NS-Verbrechen. Die Spiele nach dem Zweiten Weltkrieg Nach 1945 war die Rivalität zwischen den USA und der Sowjetunion auch in sportlichen Wettkämpfen spürbar. Siege wurden als Zeichen der Überlegenheit gegenüber dem jeweils anderen inszeniert und propagandistisch vermarktet. Nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan 1979 (s. S. 119) boykottierten die USA und ihre Verbündeten die Spiele in Moskau, woraufhin vier Jahre später die Sowjetunion und beinahe alle Ostblockstaaten die Spiele in Los Angeles (USA) boykottierten. Die Olympischen Spiele heute Die Olympischen Spiele und das IOC stehen aus einer Vielzahl von Gründen immer wieder in der Kritik. Korruption, Gigantismus, mangelnde Nachhaltigkeit, Umweltzerstörung und systematische Menschenrechtsverletzungen in den Austragungsländern sind einige der häufigsten Vorwürfe. Regelmäßig kommt es im Vorfeld und während der Olympischen Spiele zu Protestaktionen von Umwelt-, Friedens- und Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten. Auch Sportler/innen selbst setzen gelegentlich Zeichen des politischen Protests. Olympische Spiele 2024 2014 besetzte Russland die Halbinsel Krim am Schwarzen Meer, und damit einen Teil der Ukraine. Damals forderten viele Stimmen – letztlich vergeblich – einen Boykott gegen die Winterspiele in Russland. 2022 überfiel Russland die Ukraine erneut. Im Zuge dieses Krieges forderten (nicht nur) Vertreter/innen der Ukraine einen Ausschluss Russlands von den Spielen in Paris 2024. Außenminister Kuleba wirft IOC-Chef Bach „Heuchelei“ vor (2023) Ein Land, das eine Aggression begeht – die von der großen Mehrheit der UN-Generalversammlung verurteilt wurde –, verliert das Recht, bei Olympischen Spielen mitzumachen. Das gilt auch für alle seine Sportler. M4: In: Süddeutsche Zeitung, 17.2.2023. Online auf: www.sueddeutsche. de/ (9.10.2023). Letztlich entschied das IOC, dass russische und belarussische Sportler/innen als neutrale Einzelathleten ohne Landesflagge, -farben und Nationalhymne für die Olympischen Spiele 2024 in Paris zugelassen werden, was neuerlich für harte Kritik sorgte. Jetzt bist du dran: 1. Beschreibe den Zusammenhang zwischen sportlichen Großereignissen wie den Olympischen Spielen und der Politik. Gib dazu Beispiele und gehe auf M1 und M2 ein. 2. Recherchiere zu Leben und Karriere von Helene Mayer (M1). Erläutere anhand deiner Recherche, des Autorentextes und der Darstellung M3, warum sie trotz ihrer jüdischen Wurzeln Deutschland bei den Olympischen Spielen vertreten durfte. 3. Diskutiere, ob ein Boykott oder eine andere Protestform im Zuge der Spiele als ein geeignetes Mittel erscheint, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Nimm dabei auch zur Aussage in M4 und zur Entscheidung des IOC Stellung. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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