Alles Geschichte! 7, Schulbuch [Teildruck]

57 Der Kandidat zur Bundespräsidentenwahl 2016 Andreas Khol im Gespräch mit dem Journalisten Herbert Lackner am 23.1.2016 H. Lackner: 1996 haben Sie in einem profil-Interview über Engelbert Dollfuß Folgendes gesagt: „Er war ein österreichischer Patriot, ein großer Bauernführer und Begründer der bäuerlichen Sozialpolitik, lange bevor er den Ständestaat eingerichtet hat. Er ist im Kampf gegen den Nationalsozialismus als erster Blutzeuge ermordet worden. Die ÖVP hält ihn in höchstem Ansehen.“ A. Khol: Stimmt alles noch. Ich füge dem Zitierten hinzu: Dollfuß war kein Demokrat, er hat eine Kanzlerdiktatur eingerichtet, er ist mit einem Verfassungsputsch an die Macht gekommen. M4: In: profil, 23.1.2016. Online auf: www.profil.at (20.7.2023). Journalist Alexander Purger im Gespräch mit dem ehemaligen Finanzminister Hannes Androsch am 15.2.2008 A. Purger: Also sehen Sie bei Dollfuß nur Schatten, kein Licht? H. Androsch: Dollfuß war im [Februar] 1934 ein Täter, ein Arbeitermörder. Dass er danach ein Opfer wurde, ist eine andere Geschichte. […] A. Purger: Lohnt es sich überhaupt 75 Jahre danach so zu streiten? H. Androsch: Offenbar ist das notwendig, so wie auch in den USA der Bürgerkrieg aus den 1860er Jahren noch immer nicht restlos überwunden ist. Geschichte wirft sehr lange Schatten. M5: In: Salzburger Nachrichten, 15.02.2008. Der Politikwissenschafter Anton Pelinka (2017) Dass es sich um einen „Unrechtsstaat“ handelte, ist allgemein akzeptiert. Ob es ein politisches System war, dass sich in die Kategorie „Faschismus“ einordnen lässt, ist hingegen umstritten. […] Dass der „Ständestaat“ wesentlich Anleihen beim italienischen Faschismus machte, ist die eine, nicht bestreitbare Realität; Teil eben dieser Realität ist aber auch, dass der „Ständestaat“ sich in einen in den 1930er Jahren dominanten autoritären Trend europäischer Politik einfügte […]. M6: Pelinka: Die gescheiterte Republik, 2017, S. 143. Aus einer Meldung der Austria Presse Agentur vom 24.10.2018 Die Zeit zwischen 1933 bis 1938 zählt nach wie vor zu den umstrittensten Kapiteln österreichischer Geschichte. Das wurde auch im „Haus der Geschichte Österreich“ (hdgö) deutlich, wo man sich nach langen Diskussionen für den Begriff „Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur“ entschlossen hat, aber auch „Austrofaschismus“, „Ständestaat“, „autoritärer Ständestaat“ und „Kanzlerdiktatur“ zur Diskussion stellt. M7: Online auf: https://science.apa.at (19.07.2023). Zur Begriffsklärung „autoritäres Regime“ und „Diktatur“ finden sich verschiedene Einträge in Lexiken: Lexikoneintrag zu autoritären Regimen von Juan J. Linz (2015) Begreift man autoritäre Regime [a. R.] nicht einfach als eine Mischform totalitärer Regime und demokratischer Systeme, sondern als ein Systemtypus sui generis, muss man sich typologisch relevanter Untersuchungsdimensionen und trennscharfer Kriterien versichern, die a. R. von Totalitarismus und Demokratie unterscheidbar machen. Unsere Konzeption konzentriert sich auf die Art der Machtausbildung, Organisationsformen, Glaubens- und Wertesysteme, die Verbindung von staatl. Macht und gesellschaftl. Sphäre sowie auf die Rollenzuweisung der Bevölkerung im polit. Prozess. Ausgegrenzt bleiben dabei eine Analyse der Politikergebnisse, ebenso wie die angestrebten Ziele oder die raison d‘être (Rechtfertigung) der Regime. Vor dem Hintergrund dieser Einschränkungen lassen sich a. R. als Systeme kennzeichnen, die über einen nur begrenzten Pluralismus verfügen, keine umfassend ausformulierte Ideologie besitzen und, außer in ihrer Entstehungsphasen, weder auf extensive noch intensive Mobilisierung zurückgreifen. M8: Aus: Nohlen/Schultze (Hg.): Kleines Lexikon der Politik, 2015, S. 34. Lexikoneintrag zu Diktaturen von Rainer-Olaf Schultze (2015) Herrschaft einer Person, Gruppe, Partei oder Klasse, die die Macht im Staat monopolisiert hat und sie unbeschränkt (oder ohne große Einschränkungen) ausübt M9: Aus: Nohlen/Schultze (Hg.): Kleines Lexikon der Politik, 2015, S. 106. Jetzt bist du dran: 1. Diskutiere anhand der Quellen M1, M2 und M3 den unterschiedlichen Umgang mit Dollfuß-Denkmälern. 2. Vergleiche die Sichtweisen in den Quellen M4–M7. Stelle die angeführten Aussagen gegenüber und überlege, wieso gerade diese hervorgehoben wurden. 3. Nimm zu den Unterschieden der Definitionen in M8 und M9 Stellung. 4. Arbeite aus den Quellen M1–M7 anhand der Anleitung die unterschiedlichen Standpunkte und die dahinter liegenden Perspektiven und Interessen zum Thema Dollfuß heraus. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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