55 Jugendorganisationen 1933 wurden erste Pläne veröffentlicht, die gesamte österreichische Jugend in einer „unpolitischen vaterländischen“ Bewegung zu organisieren. Erst 1936 wurde das Österreichische Jugendvolk (ÖJV) als alleinige Jugendorganisation gegründet, ausgenommen waren die jüdischen Jugendorganisationen. Die Mitgliedschaft im ÖJV war nicht verpflichtend, aber auch illegal tätige Jugendverbände wie die Revolutionäre Sozialistische Jugend und die Hitlerjugend versuchten über den ÖJV andere Jugendliche für ihre politischen Ansichten zu gewinnen. Johannes Eidlitz (1920–2000) erzählt über das Österreichische Jugendvolk Obwohl ich mich zuerst nicht sehr dafür interessiert hab, habe ich mich auf Drängen meiner Kameraden damit befasst, die gesagt haben, wir müssen irgend so etwas machen, vielleicht werden wir das einmal brauchen. Das darf man nicht vergessen, solche Überlegungen haben damals bei vielen, die Gegner des VF- [Vaterländische Front] Regimes waren, eine Rolle gespielt. Da habe ich im Theresianum eine Ortsgruppe gegründet und bin dort Ortsjugendführer gewesen und habe halt alle möglichen Schulungen mitgemacht. Ich kann nicht behaupten, dass mich das auch sehr beeindruckt hat. Ich hatte meine eigenen Ansichten, meine eigenen Meinungen, und habe das halt akzeptiert, die momentan vorhandene Staatsphilosophie. M3: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Online auf: www.doew.at (24.2.2024). Kultur In der Zwischenkriegszeit war das Kino eine beliebte Freizeitaktivität und wurde daher von der Dollfuß-Schuschnigg-Regierung zu Propagandazwecken genutzt. Vor dem eigentlichen Hauptfilm wurde die von staatlichen Firmen produzierte Wochenschau „Österreich in Bild und Ton“ gezeigt, in der die Werte des politischen Systems einer breiten Öffentlichkeit vermittelt wurden. Nur die von der Regierung produzierten oder beauftragten Filme unterlagen nicht der Filmzensur. In Spielfilmen wurden Szenen, die sich gegen die religiöse Moral wandten, Gewalt zeigten oder die „Soldatenehre“ verletzten, geschnitten. Kommunistische oder NS-Symbole wurden ebenfalls zensuriert. Wirtschaft Ende Februar 1934 löste die Regierung die sozialdemokratischen freien Gewerkschaften auf und schuf eine neue Einheitsgewerkschaft mit nur sehr eingeschränktem arbeitsrechtlichem Einfluss. Streiks wurden verboten und der Staat griff mit Zwangsschlichtungen in die Lohnverhandlungen ein. Es folgten der Abbau der Sozialleistungen, der verkürzte Bezug der Arbeitslosenunterstützung sowie die Kürzung der Sozialhilfen. M4: Fritz Zvacek: Arbeitslose am Arbeitsamt. Fotografie, um 1935 Zwar wurden Maßnahmen zur Arbeitsplatzbeschaffung wie der Bau der Großglockner-Hochalpenstraße fortgeführt. Dieser begann schon 1930, die Eröffnung 1935 wurde propagandistisch als großartige Leistung des unabhängigen Österreichs inszeniert. Die Sanierung des Budgets hatte jedoch für die Regierung Vorrang gegenüber Investitionen für die Schaffung von Arbeitsplätzen, und so verringerte sich die Zahl der Arbeitslosen bis 1938 kaum (s. S. 43). Jetzt bist du dran: 1. Interpretiere die Quellen M1 bis M4 anhand der Anleitung und beantworte die Fragestellung, ob diese mit dem propagierten Österreichbild übereinstimmen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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