Alles Geschichte! 7, Schulbuch [Teildruck]

54 KOMPETENZTRAINING 3.9 Unterschiedliche Quellen interpretieren: Alltag, Kultur, Wirtschaft im propagierten Österreichbild der Dollfuß-Schuschnigg-Regierung Ab März 1933 nahm der nunmehr ohne rechtsstaatliche Grundlagen regierende christlichsoziale Bundeskanzler Dollfuß und ab 1934 Schuschnigg Eingriffe in das Leben der Menschen, in die Kulturlandschaft sowie die Wirtschaft vor. Ziele der Maßnahmen waren, das vorherrschende politische System positiv darzustellen und die vertretenen christlichen, vaterländischen Ideale in der Gesellschaft zu verankern. So sollte das Zugehörigkeitsgefühl der Bevölkerung zu Österreich gestärkt werden. Mit der Verfassung 1934 wurden neben der Vorzensur der Presse auch behördliche Prüfungen von Kulturveranstaltungen eingeführt. Das neue alte Geschlechterbild Ab 1933 propagierte die Regierung ein konservatives Geschlechterbild, welches den Werten des neuen politischen und Gesellschaftssystems und der ihr nahestehenden katholischen Kirche entsprach. Die ideale Weiblichkeit glich dem klassischen bürgerlichen Bild des 19. Jh. und sollte die Frauen in ihre traditionellen Rollen als Mütter und Hausfrauen zurückdrängen sowie ihre politische Beteiligung einschränken. In der von der Regierung erlassenen Verfassung 1934 wurden Frauen grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie Männern zugesprochen. Trotzdem wurden sie schon ab 1933 aus dem öffentlichen Bundesdienst entlassen, wenn der Ehemann im öffentlichen Bereich beschäftigt war. M1: Unbekannt: Erste-Mai-Feier im Wiener Stadion. Fotografie, 1935 Der gemeinsame Unterricht von Mädchen und Buben wurde in den Schulen zurückgedrängt. Für die Buben wurden vormilitärische Übungen und für die Mädchen Unterrichtsstunden im Nähen und in der Kinderpflege eingeführt. Der Anteil der studierenden Frauen an den Universitäten ging fortlaufend zurück. Anordnung von Muttertagsfeiern in der Schule (1935) Wie seit einer Reihe von Jahren, so soll auch heuer wieder zufolge Erlasses des Bundesministeriums für Unterricht vom 3. April 1935 der diesmal auf den 12. Mai fallende „Muttertag“ in den Schulen im Anschluß an den Unterricht oder in einer besonderen kleinen Feier begangen werden. M2: Verordnungsblatt des Stadtschulrates für Wien vom 1. Mai 1935 (alte RS). Gattungsspezifik von historischen Quellen für ihre Interpretation berücksichtigen Unterschiedliche Formen von historischen Quellen, wie Briefe, Flugblätter, Plakate, Fotografien, Interviews, werden als Gattungen oder Quellenarten bezeichnet. Die Einsichten in die Vergangenheit, die man aus der Bearbeitung von Quellen gewinnen kann, sind von der historischen Fragestellung, aber auch von der Spezifik (Eigenart) der Quelle abhängig. Die Gattungsspezifik der Quelle berücksichtigen – so gehst du vor: − Ordne die Quelle seiner Gattung zu. − Finde heraus, aus welcher Zeit die Quelle stammt, und ordne sie den Geschehnissen der Zeit zu (historischer Kontext). − Stelle Überlegungen an, welchen ursprünglichen Zweck die Quelle hatte und für welches Publikum sie bestimmt war. − Beschreibe den Inhalt. (Zum Beispiel: Ist es ein politisches, öffentliches oder privates Thema? Ist die Sichtweise subjektiv oder objektiv?) − Versuche die Intention der Urheberin bzw. des Urhebers festzustellen. Dementsprechend sind bestimmte Informationen im Mittelpunkt oder werden vernachlässigt. − Arbeite mögliche beabsichtigte oder unabsichtliche Verzerrungen von historischen Geschehnissen heraus. − Beurteile, inwieweit die Quelle für deine gewählte Fragestellung hilfreich ist. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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