53 Ziel der Putschisten war die Einsetzung eines neuen Kanzlers, der eine Regierung mit NS-Beteiligung in Österreich einrichten sollte. Der Putsch am 25. Juli 1934 wurde durch illegale österreichische Nationalsozialisten ausgeführt. Dollfuß wurde bei seiner geplanten Verhaftung im Bundeskanzleramt niedergeschossen und verblutete, da er keine ärztliche Versorgung erhielt. Die RAVAG (die erste österreichische Rundfunkgesellschaft) in Wien wurde von Nationalsozialisten besetzt. Diese gaben über das Radio das Signal für den allgemeinen Aufstand. In der Steiermark, in Kärnten, Oberösterreich und Salzburg brachen Kämpfe aus. Da aber Mussolini Truppen an der Tiroler Landesgrenze aufmarschieren ließ, unterließ Hitler eine Unterstützung der Putschisten. Der Putsch forderte rund 230 Todesopfer und brach bald zusammen. Vielen Putschisten gelang die Flucht, die Verhafteten kamen, wie schon die Sozialdemokraten, in das Anhaltelager Wöllersdorf. Schuschnigg als Nachfolger Unterrichtsminister Kurt Schuschnigg übernahm Dollfuß’ Nachfolge. Der ermordete Bundeskanzler wurde als Märtyrer der Unabhängigkeit Österreichs stilisiert und als „Heldenkanzler“ in Denkmälern und Platzbenennungen in der Öffentlichkeit geehrt. M4: Unbekannt: Kundgebung der Vaterländischen Front in Wien. Fotografie, 1936 Der Einfluss Deutschlands wächst Nachdem Mussolini 1935 durch seinen Angriff auf Abessinien in außenpolitische Isolation geraten war, suchte er die Verständigung mit Hitler. Das deutsch-österreichische Abkommen von 1936 hob zwar die 1000-Mark-Sperre auf (s. S. 43), gleichzeitig nahm aber der NS-Einfluss auf die Regierung Schuschnigg zu. Dies führte am 12. Februar 1938 im Berchtesgadener Abkommen zu einer Regierungsbeteiligung des Nationalsozialisten Arthur Seyß-Inquart und zu einer Legalisierung der NSDAP in Österreich. Der „Anschluss“ Österreichs Nachdem NS-Deutschland die österreichische Regierung weiterhin unter Druck setzte, verfügte Bundeskanzler Schuschnigg als Flucht nach vorne für den 13. März 1938 eine Volksbefragung „Für ein freies und deutsches, unabhängiges und soziales, für ein christliches und einiges Österreich!“. Da Hitler einen für seine Pläne negativen Ausgang befürchtete, setzte er Schuschnigg ein Ultimatum: Dieser solle zurücktreten, die Volksbefragung absagen und Seyß-Inquart als Bundeskanzler einsetzen. Obwohl Schuschnigg die Bedingungen akzeptierte, befahl Hitler den Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Österreich für den Morgen des 12. März, der ohne jeglichen Widerstand erfolgte und auf große Zustimmung in der Bevölkerung stieß (s. S. 58). Österreichische Polizisten mit Hakenkreuzbinden begannen schon in der Nacht politische Gegner zu verhaften, und die Presse wurde gleichgeschaltet. Am 15. März 1938 proklamierte Hitler am Heldenplatz in Wien die als Wiedereingliederung Österreichs in das Deutsche Reich bezeichnete Auflösung des eigenständigen Staates Österreich. Die nachträglich ausgerichtete, von massiver Propaganda begleitete Volksabstimmung erbrachte 99 % Zustimmung für den „Anschluss“. Durch die nun geltenden Gesetze des Deutschen Reichs wurden die jüdische Bevölkerung, Roma und Sinti, Homosexuelle und Menschen am Rande der Gesellschaft der NS-Verfolgung ausgesetzt. Jetzt bist du dran: 1. Beschreibe die Sichtweise des Autors in M1. 2. Recherchiert zu Denkmälern für Opfer des Faschismus, die sich auf die Jahre 1934 bis 1945 beziehen. Diskutiert, ob der Begriff „Faschismus“ (s. S. 24) auf die Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur anwendbar ist. 3. Analysiere und interpretiere den Text M3 in Hinblick auf die Beobachtungen und die Sichtweise des illegal handelnden Akteurs. 4. Vergleiche den Text M2 mit dem Bild M4 auf Übereinstimmungen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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