Alles Geschichte! 7, Schulbuch [Teildruck]

49 Erst in der Zweiten Republik wurden zunächst monatliche Mindestlöhne zwischen den Dienstgebern und dem Landarbeiterbund beschlossen, von denen aber die oben genannten Naturalbezahlungen zunächst noch abgezogen wurden. Ein paar Jahre später wurde dann der Kollektivvertrag für bäuerliche Betriebe abgeschlossen. Die Trachtenmode Gegen Ende des 19. Jh. wurde die als altmodisch geltende Tracht, die einst von der Landbevölkerung getragen worden war, von städtischen Touristinnen und Touristen wiederentdeckt, modernisiert und das Tragen der Tracht durch Vereine gefördert. Die recht einfache, bunte Kleidung der Feldarbeiterinnen wurde zum Dirndl weiterentwickelt. In den 1930er Jahren fand die erste Trachtenerneuerung statt, mit der regionale Trachten kreiert wurden. So entstand beispielsweise das Ausseer Dirndl um 1936. In dieser Zeit kam es auch zu einer internationalen Trachtenmodenwelle. Die Nationalsozialisten schließlich instrumentalisierten die neuen Trachten für ihre rassistischen Idee des „völkischen“ Lebens. Auf neuem Weg in Wien Erstmals wurde in Wien nach dem allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrecht 1919 der Wiener Gemeinderat gewählt. Die SDAP errang mit 54,2 % der Stimmen 100 von 165 Mandaten und damit die absolute Mehrheit. In der österreichischen Bundesverfassung von 1920 wurde Wien als Bundeshauptstadt der Republik festgelegt. Der Wiener Bürgermeister hatte auch die Stellung eines Landeshauptmanns. Wien wurde dadurch ein von Niederösterreich losgelöstes eigenes Bundesland, der Sitz der niederösterreichischen Landesregierung blieb aber bis 1986 in Wien. Als Bundesland durfte Wien selbständig Steuern erheben. Mit den in den nächsten Jahren durchgeführten Maßnahmen grenzte sich Wien von den anderen Bundesländern und auch von der christlichsozialen Bundespolitik ab. Die Zeit in Wien zwischen 1919 und 1934 wird daher auch als das „Rote Wien“ bezeichnet. Zimmer, Küche, Kabinett Während großbürgerliche Wohnungen in Wien Ende des 19. und Anfang des 20. Jh. ganze Stockwerke mit Wohn- und Repräsentationsräumen und davon getrennte Nutz- und Wirtschaftsräume umfassten, lebten die Arbeiterfamilien in Zimmer-Küche- oder Zimmer-Küche-­ Kabinett-Wohnungen ohne Wasser und WC, die im Schnitt 20 bis 22 m2 groß waren. Durchschnittlich wohnten sechs bis sieben Personen zusammen. Mit 2,08 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen erlebte Wien 1910 das Bevölkerungsmaximum, das bis heute noch nicht wieder erreicht wurde. Der soziale Wohnbau Um die Wohnungsnot zu lindern, wurden in den Jahren zwischen 1919 und 1934 rund 60 000 neue Wohnungen von der Stadt Wien errichtet. Die sogenannte Mustersiedlung am Heuberg, geplant von dem Architekten Adolf Loos und seiner Mitarbeiterin Margarethe Schütte-Lihotzky, wurde zwischen 1921 und 1924 kostensparend und mit Nutzgärten erbaut. Der erste städtische Wohnkomplex, der Metzleinstaler Hof, wurde 1925 fertiggestellt. Der bekannteste, 1930 fertiggestellte Gemeindebau in Wien ist der 1,1 km lange Karl-Marx-Hof mit 1272 Wohnungen, Kindergärten, Waschküchen, Bädern und vielem mehr. Die Gemeindebauten wurden nicht am Stadtrand errichtet, sondern sind über alle Bezirke verteilt. M4: Pedro Fonseca Jorge: Wohnung im Karl-Marx-Hof für Eltern und vier Kinder. Grafik Sport-, Freizeit- und Kultureinrichtung Nicht nur Wohnungen wurden erbaut, sondern auch Einrichtungen für die aufgrund der Einführung des Achtstundentages neu entstandene Freizeit der Arbeiter/innen. Sportstätten, Schwimmbäder, Volkshochschulen und öffentliche Büchereien wurden ebenfalls im ganzen Wiener Gemeindegebiet errichtet. Jetzt bist du dran: 1. Vergleiche die Berufstätigen der Erwerbszweige von 1934 (M1) mit aktuellen Daten. 2. Vergleiche die in M2 geschilderten Arbeitszeiten mit den heutigen. 3. Diskutiere die Aussage des Bildes in M3 im Kontext mit den Arbeitsbedingungen des Gesindes. 4. Vergleiche den Grundriss der Wohnung im KarlMarx-Hof in M4 mit deinem Zuhause. Arbeite die Unterschiede heraus. 5. Überlege die Absicht hinter der Errichtung von öffentlichen Büchereien für die Arbeiterschaft. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy MjU2NDQ5MQ==