Alles Geschichte! 7, Schulbuch [Teildruck]

48 3.6 Das Leben auf dem Land und in der Stadt Der ländliche Raum Bei der österreichischen Volkszählung im Jahr 1934 wurde die Erwerbstätigkeit der Bevölkerung erhoben: Erwerbszweige über 100 000 Berufstätige in Zahlen in % Land- u. Forstwirtschaft 1 010532 32,1 Bauwirtschaft 166091 5,3 Eisen- und Metallindustrie 221185 7,0 Bekleidungsindustrie 183225 5,8 Nahrungs- u. Genussmittelindustrie 138945 4,4 Gast- und Schankwirtschaft 107561 3,4 Handel 266917 8,5 Verkehrswesen 147632 4,7 öffentliche Verwaltung 127023 4,0 Erwerbstätige gesamt 3 149546 100,0 M1: Berufstätige laut Volkszählung vom 22.03.1934 Die Arbeit in der Landwirtschaft war eine arbeitsintensive und körperlich anstrengende Tätigkeit. Maschinen wie Traktoren und Mähdrescher, die die Arbeit erleichterten, wurden vermehrt erst seit den 1950er Jahren eingesetzt. Das Leben der Dienstboten und -botinnen Dadurch benötigten größere Landwirtschaften zusätzliche Arbeitskräfte in Form von Dienstboten und Dienstbotinnen, das sogenannte Gesinde. Im Dezember 1918 wurde das Gesetz für das Verbot der Kinderarbeit vor dem vollendeten 14. Lebensjahr beschlossen, trotzdem kam es häufig vor, dass Verkürzungen des Schulbesuchs ausgesprochen wurden, damit Kinder in der Landwirtschaft aushelfen konnten. Geschätzte 60 % der Jugendlichen im ländlichen Raum arbeiteten als Mägde oder Knechte. Die 1920 geborene Katharina Mitterbacher erzählt über ihre Arbeit Ich mußte mit meinen fünfzehn oder sechzehn Jahren jahrein jahraus um halb vier Uhr früh aufstehen, weil ich auch im Stall Arbeiten zu verrichten hatte. Ich mußte die Kühe melken, striegeln und bürsten, den Mist aus dem Stall befördern. Das war keine leichte Arbeit, denn ich mußte auf den nassen oder eisigen Brettern mit dem Radlbock den Rinderdung auf den Misthaufen balancieren. Tagsüber mußte ich alle Arbeiten machen, die bei einem Bauern anfielen. Die Arbeitszeit endete erst gegen acht Uhr abends. M2: Weber (Hg.): Mägde. Wien 1991, S. 58 f. M3: Österreich-Werbung: Bad Ischl, Fotografie 1935 Umbrüche in der ländlichen Gesellschaft Im Jahr 1920 wurde von der Nationalversammlung ein Gesetz betreffend die Entlohnung und die Rechte von Hausgehilfen und Hausgehilfinnen erlassen, landwirtschaftliche Betriebe waren davon aber explizit ausgenommen. Die Entlohnung der Arbeitsleistung des Gesindes erfolgte daher noch weitgehend nach den herkömmlichen Dienstvereinbarungen. Neben Naturalbezahlungen wie Kost, Quartier und Kleidung wurde dem Gesinde nur einmal im Jahr etwas Bargeld ausgezahlt, traditionell am 2. Februar zu Maria Lichtmess, bei dem der jährliche Dienst verlängert oder aufgelöst wurde. In den folgenden Jahren der Ersten Republik wurde diese Entlohnungsform schließlich zunehmend durch einen Monatslohn ersetzt. Verbunden damit kam es aber auch zur Winterarbeitslosigkeit von nunmehrigen Landarbeiterinnen und -arbeitern. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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