44 Die Parteienlandschaft im Nationalrat Die zwei Parteien, die das politische Geschehen in der Ersten Republik vorrangig prägten, waren die bürgerlich-katholische Christlichsoziale Partei (CSP) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP). Die während der Monarchie im Reichsrat stärkste Fraktion des Deutschen Nationalverbands zersplitterte am Ende der Monarchie in Kleinparteien und erlitt durch das Anschlussverbot an das Deutsche Reich einen Bedeutungsverlust. Die Bildung eines gemeinsamen parlamentarischen Klubs für nationale, freiheitliche und antisemitische Gruppierungen namens Großdeutsche Volkspartei (GDV) führte zu deren Regierungsbeteiligungen bis 1932. Auch zwei nicht im Nationalrat vertretene radikale Parteien beeinflussten die Politik: die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) und die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP). Die Kommunistische Partei Die radikal linke KPÖ entstand nach sowjetischem Vorbild im November 1918. Bis 1919 stand die KPÖ in starker Konkurrenz zur SDAP, verlor aber zunehmend an Einfluss und erzielte in der Ersten Republik auf Bundes- und Landesebene keine Mandate. Nach dem Betätigungsverbot 1933 war die KPÖ in der Illegalität politisch tätig, nach dem Verbot der SDAP erfuhr sie einen großen Zulauf von ehemals sozialdemokratischen Mitgliedern. Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei In Österreich etablierte sich die radikal rechte Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 1926, mit dem Zusatz Hitler-Bewegung als Ableger der deutschen NSDAP. Vorerst blieben die Wahlerfolge aus, aber 1932 konnte die NSDAP durch Zulauf von Wählerinnen und Wählern der GDV bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen 15 Abgeordnetensitze in Wien einnehmen und 1933 wurde sie in Innsbruck die stärkste Partei. Nach terroristischen Anschlägen der Nationalsozialisten mit Todesopfern wurde die Partei am 20. Juni 1933 verboten, die NSDAP blieb aber illegal weiter tätig. Die Ergebnisse der Nationalratswahlen Die innenpolitischen Vorgänge in der Ersten Republik können in drei Abschnitte gegliedert werden: Im ersten Abschnitt zwischen November 1918 und den Nationalratswahlen 1920 gab es eine produktive Zusammenarbeit zwischen SDAP und CSP. In der zweiten Phase kam es zu starken Gegensätzen zwischen der Regierungspartei CSP und der oppositionellen SDAP. Die letzte Koalitionsregierung 1932 zwischen CSP und dem deutschnationalen Landblock mit Engelbert Dollfuß als Bundeskanzler führte zum Niedergang der Demokratie. Der politische Einfluss der Frauen Bei der ersten Wahl 1919 zur Konstituierenden Nationalversammlung waren mit 53% zu 47% mehr Frauen als Männer wahlberechtigt. Acht Frauen schafften den Einzug in die Nationalversammlung: Anna Boschek, Emmy Freundlich, Adelheid Popp, Gabriele Proft, Therese Schlesinger, Amalie Seidel und Maria Tusch für SDAP und Hildegard Burjan für die CSP. Im Nationalrat der Ersten Republik lag der Frauenanteil bei ca. 5 %. Abgesehen von drei Frauen im Bundesrat hatten Frauen kaum höhere politische Ämter inne. Die Quote der Frauen in den Landtagen und im Wiener Gemeinderat lag ebenfalls in dieser Größenordnung. Bürgermeisterinnen gab es in der Ersten Republik keine. Die Politik hatte großes Interesse am Wahlverhalten der Frauen, das man noch nicht kannte. Deshalb gaben die Wahlordnungen zwischen 1920 und 1930 vor, dass Frauen blaugraue und Männer lichtgraue Wahlkuverts bekamen. 3.4 Die österreichische Innenpolitik zwischen 1918 und 1934 Partei 16.2.1919 17.10.1920 21.10.1923 24.4.1927 9.11.1930 Mandate % der abg. Stimmen Mandate % der abg. Stimmen Mandate % der abg. Stimmen Mandate % der abg. Stimmen Mandate % der abg. Stimmen Christlichsoziale Partei 69 35,9 85 41,8 82 45,0 (73) - 66 35,7 Sozialdemokrat. Arbeiterpartei 72 40,8 69 36,0 68 39,6 71 42,0 72 41,1 Deutschnationale Parteien 27 20,8 28 17,2 15 12,8 (12) - - - Einheitsliste - - - - - - 85 48,2 - - Landbund - - - - - - 9 6,0 - - Nationaler Wirtschaftsblock - - - - - - - - 19 11,6 Heimatblock - - - - - - - - 8 6,2 Jüdisch-Nationale Partei 1 0,3 - - - - - - - - Partei der sozialist. u. demokrat. Tschechoslowaken 1 2,2 - - - - - - - - Sonstige Parteien - - 1 5,0 - 2,6 - 3,0 - 5,4 Summe 170 183 165 165 165 M1: Ergebnisse der Nationalratswahlen in der Ersten Republik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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