43 Der Schatten der Weltwirtschaftskrise Aufgrund der globalen Vernetzung des Geldmarktes trafen die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise ab 1929 Österreich ebenfalls. 1932 musste Österreich beim Völkerbund um eine weitere Anleihe ansuchen. Durch die nationalsozialistische Wirtschaftssanktion der 1000-Mark-Sperre gingen die Touristenzahlen aus Deutschland zwischen 1933 und 1936 fast vollständig zurück. Diese Gebühr – heute um die 5000 Euro – mussten Deutsche ihrem Staat für die Einreise nach Österreich zahlen. Das NS-Regime wollte damit Österreich unter Druck setzen. M4: Die Arbeitslosenrate in der Ersten Republik nach Statistiken der Arbeitslosenversicherung. Die Zahl der nicht mehr staatlich unterstützten Arbeitslosen (Ausgesteuerte) beruhen auf Hochrechnungen des Wifo 1963 und Stiefel 1979. Trotz staatlicher Gegenmaßnahmen (z.B. Bauprogramme) bekam man die Anzahl der Arbeitslosen bis 1938 nicht mehr in den Griff. Lebensfähigkeit Österreichs Im Winter 1918/19 war die Nahrungsmittelversorgung in Wien katastrophal, nicht nur wegen der weggefallenen Gebiete, sondern auch, weil aus den anderen Bundesländern kaum Lieferungen ankamen. Erst durch internationale Hilfsprogramme, vorrangig dem der USA, konnte die Ernährungskrise bis 1920 überwunden werden. Schwierig blieb weiterhin die Versorgung der Industrie mit Kohle und Rohstoffen. Von politischer, aber auch von wirtschaftlicher Seite wurde die „Lebensunfähigkeit“ des kleinen Österreichs propagiert. Das Problem war, dass die Wirtschaft an die neue Situation angepasst und aufgrund der neuen Grenzzölle für Fertigproduktexporte und Rohstoffimporte umstrukturiert werden musste, benötigte Investitionen dafür aber fehlten. Verbunden mit dem angespannten Verhältnis zu den neuen Nachbarstaaten sank der Handelsverkehr bis 1935 auf 15 % des Vorkriegswertes. Der Nationalökonom Gustav Stolper zur Lebensfähigkeit Deutschösterreichs (1921) Drei äußere Bedingungen müssen erfüllt werden, um Deutschösterreich am Leben zu erhalten: Es muß aus seiner einseitigen Abhängigkeit vom guten Willen der es umgebenden jungen Nationalstaaten befreit, es muß ihm die Möglichkeit zur Erfüllung seiner „bürgerlichen“ Funktion [Verwaltung] erhalten oder wiedergegeben werden und es muß drittens sein wirtschaftlicher Apparat in einer Weise ausgestaltet werden, daß die Erträgnisse seiner eigenen Erzeugung instande sind, Verluste, die es an verlorenen Erträgnisquellen erleidet, wettzumachen. M3: Stolper: Deutschösterreich als Sozial- und Wirtschaftsproblem, 1921, S. 143 f. (alte RS). Die neue Währung Die Finanzkrise des Staates führte zu einer Hyperinflation. Immer mehr Geld kam in Umlauf, was zu einem Verfall der alten Währung, der Krone, führte. Die Lebenserhaltungskosten betrugen im Sommer 1922 das 14 000-Fache des Vorkriegsniveaus. Durch die Überzeugungsarbeit des christlichsozialen Bundeskanzlers Ignaz Seipel bekam Österreich im Oktober 1922 eine Geldanleihe von den Völkerbundstaaten Großbritannien, Frankreich, Italien und der Tschechoslowakei (Genfer Protokolle). Diese auf 20 Jahre begrenzte Unterstützung schuf die Grundlage für die 1924 neu eingeführte Währung – den Schilling, welcher die Inflation eindämmte. Zusätzlich wurde die österreichische Geldwirtschaft unter Völkerbundaufsicht gesetzt, die auch radikale Sparmaßnahmen wie einen Abbau der öffentlichen Verwaltung veranlasste. Schrittweise erholte sich die österreichische Wirtschaft in den Zwanzigerjahren. Massive Investitionen in die Infrastruktur gab es ab 1925, um Österreich als Tourismusland zu etablieren. Jetzt bist du dran: 1. Ermittle aus M1, welche von Österreich beanspruchten Gebiete an Nachbarländer gingen. 2. Diskutiere anhand der Quelle M2 den Stellenwert deiner Erstsprache für dich. 3. Bewerte, inwieweit die in M3 genannten Problemfelder bis 1938 gelöst werden konnten. 4. Rekonstruiere anhand M4 die Auswirkungen der Völkerbundanleihen 1922 und 1932 sowie der Weltwirtschaftskrise 1929 auf die Arbeitslosigkeit in Österreich. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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