42 3.3 Das neue Staatsgebiet und die wirtschaftlichen Herausforderungen M1: Gebietsansprüche Deutschösterreichs und Grenzen der Republik Österreich gemäß Friedensvertrag 1919 Im Dezember 1918 beschloss die Provisorische Nationalversammlung von Deutschösterreich die Gebietshoheit über alle nach ihrer Auffassung geschlossenen deutschsprachigen Siedlungsgebiete der ehemaligen österreichischen Reichshälfte der Monarchie. Auf Teile dieser Gebiete erhoben aber auch die neu entstandenen Nachbarstaaten Ansprüche, die sie auch weitgehend durchsetzten. Die Ausnahme bildeten Teile Kärntens sowie das Burgenland. Militärischer Widerstand in Kärnten Anfang November 1918 besetzten Truppen des neugegründeten Staates der Serben, Kroaten und Slowenen südkärntnerische Gebiete, in denen es einen größeren slowenischsprachigen Bevölkerungsanteil gab. Der Kärntner Landtag beschloss den militärischen Widerstand, der vor allem von der neugegründeten Volkswehr der Republik, aber auch von Freiwilligen geleistet wurde. Die Kämpfe dauerten bis zum Sommer 1919, bis italienische Truppen den Waffenstillstand überwachten. Die Volksabstimmung 1920 Im Vertrag von St. Germain wurde die Abhaltung einer Volksabstimmung zur Klärung der Frage der Staatszugehörigkeit der umstrittenen Gebiete festgelegt. Für die Abstimmung wurde das Gebiet in eine Zone A (Gebiete südlich von Klagenfurt) und eine Zone B (Klagenfurt und Umgebung) unterteilt. Am 10. Oktober 1920 fand die Volksabstimmung in der Zone A statt. Insgesamt stimmten 59 % für den Verbleib bei Österreich, bei einem slowenischsprachigen Bevölkerungsanteil von ca. 70 %. Den Ausgang dürften wirtschaftliche Gründe und auch die Garantieerklärung der Kärntner Politik für die Einhaltung von Sprach- und Minderheitenrechten beeinflusst haben. Aufgrund des Ausgangs für Österreich konnte die Volkabstimmung in der nördlichen Zone B entfallen. Sprachliche Vielfalt in Österreich Hierzulande werden rund 250 verschiedene Sprachen gesprochen. Zu den wichtigsten Umgangssprachen gehören neben der deutschen Sprache insbesondere Kroatisch und Türkisch. Darüber hinaus sind Kroatisch (130 000 Sprecher/ innen), Ungarisch (41 000), Slowenisch (25 000), Tschechisch (18 000), Slowakisch (10 000), die Österreichische Gebärdensprache (9 000) sowie Romani (6 000) anerkannte Minderheitensprachen. Zudem sind in bestimmten Gemeinden neben Deutsch auch Ungarisch, Slowenisch und Burgenland-Kroatisch Amtssprachen. Hinzu kommen die verschiedenen deutschen Dialekte, die in Österreich gesprochen werden. Sprachen sind Teil des kulturellen Erbes der Menschheit und nicht zuletzt auch wichtige Instrumente für den Erhalt und die Entwicklung des materiellen und immateriellen Kulturerbes. M2: Österreichische UNESCO-Kommission: 21. Februar 2020: Internationaler Tag der Muttersprache. Online auf: www.unesco.at (21.8.2023). Das Burgenland kommt zu Österreich Das Gebiet des heutigen Burgenlands gehörte in der Zeit Österreich-Ungarns zur ungarischen Reichshälfte. Im Friedensvertrag von Trianon (Pariser Vorort) mit Ungarn am 4. Juni 1920 wurde dieses Gebiet jedoch der Republik Österreich zugesprochen. Durch Vermittlung der neuen Tschechoslowakischen Republik und Italien konnte in den Protokollen von Venedig eine Einigung zum neuen Grenzverlauf erzielt werden. Ein strittiger Punkt blieben Sopron (Ödenburg), welches als Landeshauptstadt des neuen Bundeslandes vorgesehen war, und dessen umliegende Gemeinden. Eine Volksabstimmung sollte in der Folge die Zugehörigkeit klären. Sie erbrachte im Dezember 1921 eine Zweidrittelmehrheit für den Verbleib bei Ungarn. Deutsches Reich Deutsches Reich Ts c h e c h o s l o wa k e i Sudetenland Sudetenland Deutsch- Böhmen Deutsch- Südmähren Ungarn Burgenland Untersteiermark Seeland Kanaltal Südtirol Italien Schweiz Wien München Prag Brünn Iglau Salzburg Innsbruck Klagenfurt Maribor Königreich Jugoslawien Donau Drau Rhein Bodensee Donau Inn Elbe Oder 1921 von Ungarn zu Österreich 0 80 160 km Ansprüche 1918/1919 ohne Abstimmung verlorene Gebiete 1919 Österreich heute Abstimmungsgebiete Staatsgrenze Bundeslandsgrenze Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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