Alles Geschichte! 7, Schulbuch [Teildruck]

40 3.2 Von der Republik Deutschösterreich zur Republik Österreich Der Zerfall von Österreich-Ungarn Am 16. Oktober 1918, in den letzten Tagen des ersten Weltkriegs, veröffentlichte Kaiser Karl I. das sogenannte „Völkermanifest“. Darin beschrieb er die Vision einer gemeinsamen, gleichberechtigten Zukunft der Völker der österreichischen Reichshälfte in einem Bundesstaat mit gleichberechtigten Nationalitäten. Die Selbstständigkeitsbestrebungen der in der Doppelmonarchie vertretenen Völker waren aber schon zu weit fortgeschritten. Innerhalb weniger Wochen sagten sich die nicht-deutschsprachigen Nationen vom Kaiser los und begründeten eigene Staaten. Das Ende der Monarchie In Wien traten die verbliebenen Abgeordneten der deutschsprachigen Gebiete am 21. Oktober 1918 zur ersten Sitzung der Provisorischen Nationalversammlung zusammen. Bei der folgenden Sitzung am 30. Oktober wurde die Regierungsgewalt einem Vollzugsausschuss (Staatsrat), bestehend aus Deutschnationalen, Christlichsozialen und Sozialdemokraten, übertragen. Erinnerungen an das Kriegsende von Karolina Weiß (1893–1982) Der Hunger, die Armut, das Elend hatten mit dem Ende des Krieges erst richtig begonnen. Die Menschen darbten und hungerten und starben … Haus an Haus wütete die Spanische Grippe – sie leerte die Häuser und füllte die Gräber. Der Feind war ein Sieger ohne Gnade. Es war Friede, aber der Hunger […] fraß sich in die Eingeweide, und was noch ärger war: Er fraß sich in die Herzen der Menschen. M1: Eigner, Müller (Hg.): Hungern, Hamstern, Heimkehren. Erinnerungen an die Jahre 1918 bis 1921. 2017, S. 53. Am 11. November 1918 unterzeichnete Kaiser Karl I. auf Drängen des letzten Ministerpräsidenten seiner k. k. Regierung die vom Staatsrat ausformulierte Erklärung, in der er auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften verzichtete, und entließ seine nur noch auf dem Papier bestehende Regierung. Die Ausrufung der Republik Am 12. November 1918 wurde von der Provisorischen Nationalversammlung das „Gesetz über die Staats- und Regierungsform von Deutschösterreich“ als demokratische Republik beschlossen. Die Beschlussfassung wurde der großen Menschenansammlung, die sich vor dem ehemaligen Reichstagsgebäude in Wien (dem heutigen Parlament) bildete, in einem feierlichen Akt verkündet. M2: Richard Hauffe: Die Ausrufung der Republik. Aufmarsch vor dem Parlament mit dem Spruchband „Hoch die sozialistische Republik“. Fotografie, 12. November 1918 Nach der Bekanntgabe und dem Hissen der neuen rotweiß-roten Nationalflagge lösten Mitglieder der neugegründeten Kommunistischen Partei Zwischenfälle aus und verursachten durch Schüsse auf das Parlament eine Massenpanik, die zu den ersten beiden politisch verursachten Todesopfern sowie mehreren Verletzten der neuen Republik führten. Die Republik Deutschösterreich Im zweiten Artikel des beschlossenen Gesetzes wurde bekräftigt, dass die neue Deutschösterreichische Republik sich als Bestandteil der drei Tage zuvor ausgerufenen Deutschen Republik sehe. Weiters wurde darin die Wahlordnung für die im Jahr 1919 angesetzte Wahl für die Konstituierende Nationalversammlung festgelegt. Die Konstituierende Nationalversammlung Die Wahl der Mitglieder der Konstituierenden Nationalversammlung fand am 19. Februar 1919 statt. Bei der ersten Wahl der Republik hatten alle Frauen und Männer über 20 Jahre das gleiche Stimmrecht. Zur Wahl stellten sich insgesamt 28 Parteien, wobei die Sozialdemokraten als stärkste Fraktion den Staatskanzler Karl Renner stellten und mit den Christlichsozialen eine Koalitionsregierung bildeten. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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