34 Schriftsteller Stefan Zweig über die Probleme in der Weimarer Republik (1942) Um Ludendorff [= ehemaliger General] mehr noch als um den damals noch machtlosen Hitler kristallisierte sich schon ganz offenkundig die Gegenrevolution; die Offiziere, denen man die Epauletten [= Schulterbesatz] abgerissen, organisierten sich zu Geheimbünden, die Kleinbürger, die sich um ihre Ersparnisse betrogen sahen, rückten leise zusammen und stellten sich im voraus jeder Parole bereit, sofern sie nur Ordnung versprach. Nichts war so verhängnisvoll für die deutsche Republik wie ihr idealistischer Versuch, dem Volke und selbst ihren Feinden Freiheit zu lassen. Denn das deutsche Volk, ein Volk der Ordnung, wusste nichts mit seiner Freiheit anzufangen und blickte schon voll Ungeduld aus nach jenen, die sie ihm nehmen sollten. M6: Zweig: Die Welt von Gestern, 2019, S. 359. Die Dolchstoßlüge 1925 wurde Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten gewählt. Hindenburg hatte große Vorbehalte gegenüber demokratisch-republikanischen Ideen. Der Generalfeldmarschall aus dem Ersten Weltkrieg vertrat zusammen mit General Erich Ludendorff die in rechtsgerichteten Kreisen verbreitete Dolchstoßlüge (auch Dolchstoßlegende). Diese besagte, dass für die Niederlage Deutschlands nicht das Militär, sondern politische und gesellschaftliche Kräfte in Deutschland (insbesondere die Sozialdemokratie sowie das „bolschewistische Judentum“) die Verantwortung trugen. Goldene Zwanziger? Von 1924 bis 1929 folgte eine politisch relativ stabile Zeit, in der sich die Weimarer Republik wirtschaftlich erholen konnte. Ab 1924 gab es einen Wirtschaftsaufschwung, weil die USA Deutschland Kredite gewährten. 1929 wurden diese jedoch aufgrund der Weltwirtschaftskrise zurückgerufen (s. S. 28). Das bereitete vielen Unternehmen Probleme, da nun der Absatz zurückging und sie die Produktion drosseln mussten. Menschen verloren ihre Arbeit, die Kaufkraft sank. Die Arbeitslosigkeit stieg zwischen 1928 und 1932 von 6 auf 30 Prozent (ca. 5,5 Millionen Menschen). Das vom Staat angebotene Arbeitslosengeld und die Sozialhilfe konnten die Grundbedürfnisse der Bevölkerung nicht decken. Das Ende der Weimarer Republik Die Weimarer Koalition zerbrach 1930. Reichspräsident Paul von Hindenburg setzte Minderheitenregierungen ein, deren Kanzlern er gestattete, mithilfe von Notverordnungen zu regieren. So ermöglichte er es ihnen, das Parlament zu umgehen („Präsidialkabinette“). Bei der Reichstagswahl im November 1932 errang die NSDAP 33,1 Prozent der Stimmen und war damit stärkste Partei, hatte aber nicht die absolute Mehrheit. Am 30. Jänner 1933 ernannte Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Hindenburg dachte, er hätte Hitler unter Kontrolle, da der Regierung nur zwei Nationalsozialisten angehörten. M3: Unbekannt: Wahlwerbung der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) zur Reichstagswahl. Plakat, 1924 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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