32 2.10 Aufstieg und Niedergang der Weimarer Republik Gründung der Weimarer Republik Bereits vor Kriegsende 1918 kam es im ganzen Deutschen Reich zu Unruhen. Die Soldaten wollten angesichts der sich abzeichnenden militärischen Niederlage nicht weiterkämpfen. Kaiser Wilhelm II. weigerte sich jedoch zunächst, einen Waffenstillstand zu unterzeichnen. Während der Novemberrevolution bildeten sich reichsweit Arbeiter- und Soldatenräte, die auf lokaler Ebene die politische Macht übernahmen. Sie organisierten die Lebensmittelversorgung und die öffentliche Sicherheit. Ihr Ziel war die Gründung einer Republik. Am 9. November 1918 wurde ein Generalstreik ausgerufen. Am 11. November erfolgte die Unterzeichnung des Waffenstillstandes. Kaiser Wilhelm II. floh ins Exil. Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert wurde Reichskanzler. Ausrufung der Republik durch den Reichstagsabgeordneten Philipp Scheidemann am 9.11.1918 Furchtbar waren die vier Kriegsjahre. Grauenhaft waren die Opfer, die das Volk an Gut und Blut hat bringen müssen. Der unglückselige Krieg ist zu Ende. Das Morden ist vorbei. Die Folgen des Krieges, Not und Elend, werden noch viele Jahre auf uns lasten. […] Die neue Regierung darf nicht gestört werden in ihrer Arbeit für den Frieden, in der Sorge um Brot und Arbeit. Arbeiter und Soldaten! Seid euch der geschichtlichen Bedeutung dieses Tages bewusst. Unerhörtes ist geschehen. Große und unübersehbare Arbeit steht uns bevor. Alles für das Volk, alles durch das Volk! […] Es lebe das Neue! Es lebe die Deutsche Republik! M1: Zehnter (Hg.): Reden und Dokumente des 20. Jahrhunderts, 1969, S. 98. Im Jänner 1919 fanden Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung statt, an denen auch Frauen das erste Mal mitentscheiden durften und gewählt werden konnten (passives und aktives Wahlrecht). Im Juli 1919 beschloss die Nationalversammlung, die wegen der Berliner Unruhen in Weimar tagte, die neue demokratisch-parlamentarische Verfassung. Deutschland in der Zeit zwischen 1919 und 1933 wird heute Weimarer Republik genannt. Die Weimarer Verfassung Die neue Verfassung enthielt eine Reihe von Grundrechten, die bereits 1849 in der Paulskirchenverfassung genannt waren (s. Band 6), z. B. Rechtsgleichheit, Freiheit der Person, Meinungs-, Presse-, Religions- und Versammlungsfreiheit. Außerdem wurde das aktive und passive Frauenwahlrecht in der Verfassung verankert. Der vom Volk gewählte Reichstag war zuständig für die Gesetzgebung, die Verabschiedung des Staatshaushaltes und die Kontrolle der Regierung. Der Reichspräsident wurde ebenfalls vom Volk gewählt und hatte weitreichende Vollmachten. Er konnte den Reichstag auflösen, den Ausnahmezustand verhängen, durch Notverordnungen regieren, die Grundrechte außer Kraft setzen und die Reichsregierung entlassen. Instabile Regierungen Ebenfalls in der Verfassung verankert war das Verhältniswahlrecht. Dieses und das Fehlen einer Prozenthürde sorgten dafür, dass auch Klein- und Kleinstparteien in den Reichstag einziehen konnten. Das erschwerte bzw. verhinderte die Bildung stabiler Regierungsmehrheiten. In den 14 Jahren der Weimarer Republik gab es 16 Regierungen. Nach dem Inkrafttreten der Weimarer Verfassung ereigneten sich in ganz Deutschland Aufstände und revolutionäre Umsturzversuche. Politisch besonders radikale Kleinparteien, die sich gegen den demokratischen Parlamentarismus aussprachen, waren die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) sowie die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Die Bevölkerung war mit der Demokratie noch nicht sehr vertraut und nach wie vor wollten viele einen „starken Mann“ an der Spitze des Staates, der die Staatsgeschäfte lenkt und durch unruhige Zeiten führt. Der Friedensvertrag von Versailles Die Bestimmungen des Versailler Vertrages zwischen den Entente-Staaten und Deutschland riefen Unmut in der deutschen Bevölkerung und in politischen Kreisen hervor. Deutschland und seinen Verbündeten wurde die alleinige Kriegsschuld zugesprochen. Deutschland musste hohe Reparationszahlungen an die Alliierten leisten, verlor ein Siebentel seines Staatsgebietes und durfte nur noch ein kleines Berufsheer behalten (s. S. 14, Friedensverträge). Schließlich stimmte die Mehrheit der Abgeordneten doch für die Unterzeichnung des Vertrages. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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