31 Kultureller Wandel Zu den Kunstrichtungen der 20er-Jahre zählen Dadaismus, Art déco und Surrealismus. Zweig über die Kunst und Kultur der 1920er-Jahre Jede Ausdrucksform des Daseins bemühte sich, radikal und revolutionär aufzutrumpfen, selbstverständlich auch die Kunst. Die neue Malerei erklärte alles, was Rembrandt, Holbein und Velasquez geschaffen, für abgetan […]. Auf allen Gebieten begann eine Epoche wildesten Experimentierens, die alles Gewesene, Gewordene, Geleistete mit einem einzigen hitzigen Sprung überholen wollte […]. M4: Zweig: Die Welt von Gestern, 2019, S. 343–345. In der Architektur war der Bauhaus-Stil geprägt von klaren und praktischen Bauten. Die Ästhetik sollte sich nach der Nützlichkeit richten und wurde auch bei Möbeln und Wohnräumen angewandt. Die Literatur war gekennzeichnet von einer nüchternen und reportagehaften Darstellungsweise mit dem Ziel, das Geschehen zu dokumentieren. Der deutsche Schriftsteller Erich Maria Remarque schaffte mit seinem Antikriegsroman „Im Westen nichts Neues“ einen weltweiten Bestseller. Frauenleben im Wandel Im Ersten Weltkrieg mussten Frauen Arbeiten übernehmen, die früher den Männern vorbehalten waren, um die gefallenen, verletzten, sich an der Front oder in Kriegsgefangenschaft befindlichen Männer zu ersetzen. Nach 1918 hatten sie sich so weit etabliert, dass sie nicht mehr vollständig aus der Arbeitswelt gedrängt werden konnten. In vielen Ländern wurde unmittelbar nach dem Krieg das Frauenwahlrecht eingeführt, in Österreich im Jahr 1918. Frauen wurden nun von der Politik wahrgenommen und umworben. Parteien interessierten sich für die Belange von Frauen (z. B. Mutterschutz, Jugendfürsorge, Sozialversicherung für Heimarbeiterinnen). In den 1920er-Jahren hatten immer mehr Frauen einen Beruf, vor allem in den Städten. Sie arbeiteten unter anderem als Sekretärin, Telefonistin, Verkäuferin oder Stenotypistin. Jedoch hatten sie kaum Aufstiegschancen und ihre Löhne und Gehälter blieben – im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen – niedrig. Sobald eine verheiratete Frau Mutter wurde, schied sie meist aus dem Berufsleben aus, zumal es keine Karenzregelungen oder ausgebaute Kinderbetreuung gab. „Die moderne Frau“ Unternehmen sahen berufstätige Frauen als potenzielle Konsumentinnen, die es zu gewinnen galt. Das neue Selbstbewusstsein vieler Frauen vor allem in den Städten, die über einen gewissen Wohlstand verfügten, spiegelte sich in Kleidung und Verhalten wider. Sie trugen z. B. kürzere Frisuren („Bubikopf“), Röcke und Kleider wurden ebenfalls kürzer und auffälliger. Einengende Korsette wurden abgelehnt, manche trugen Hosenanzüge (s. S. 94 ff.). Frauen tranken und rauchten in der Öffentlichkeit, sie nahmen ohne männliche Begleiter an Veranstaltungen teil oder betrieben Sport. 1926 traten sie zum ersten Mal in Wettkämpfen bei Olympischen Spielen an. Letztlich hatten aber nur wenige Frauen im wohlhabenden, urbanen oder künstlerischen Milieu den Spielraum für neue Lebensentwürfe. Die meisten Frauen (wie auch Männer) mussten nach wie vor körperliche Schwerstarbeit leisten. Sie hatten die Doppelbelastung als Bäuerin oder Arbeiterin und Mutter zu stemmen und folgten konventionellen Lebens- und Familienmodellen. M5: Werbung für das Berliner Kaufhaus Hermann Tietz. Farblithographie, um 1928. Jetzt bist du dran: 1. Überlege, was mit dem Begriff „Goldene Zwanzigerjahre“ gemeint sein könnte und nimm mithilfe des Autorentextes und der Quellen Stellung, warum er problematisch ist. 2. Bewerte, wie der Schriftsteller Stefan Zweig Lebensumstände und Gesellschaft in den 1920er-Jahren sieht (M1 und M4). 3. Vergleiche die Darstellungen M2 und M5 in Hinblick auf die unterschiedlichen Lebenssituationen von Frauen in den 1920ern. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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