26 2.7 Demokratische Staaten: Großbritannien und Schweden Großbritannien im 19. Jh. Im 19. Jh. wurde in der parlamentarischen Monarchie Großbritannien das Wahlrecht in mehreren Schritten ausgeweitet. Zwar war es noch immer an ein bestimmtes Vermögen gebunden, nicht jedoch an beträchtlichen Haus- und Grundbesitz. Auch (Unter-)Mieter durften ab einer bestimmten jährlichen Mietzahlung wählen, außerdem Kleinbauern, Pächter und Händler mit einem kleinen Geschäft. Dadurch wurden etwa 60 % der Männer stimmberechtigt und wählten in ihrem Wahlkreis den Abgeordneten für das Unterhaus (House of Commons). Dies führte zu einer breiteren sozialen Zusammensetzung innerhalb des britischen Unterhauses, die Demokratisierung ermöglichte der bürgerlichen und der Arbeiterklasse die politische Mitsprache. Die vermögenden Grundbesitzer und der Adel behielten im Oberhaus etwas länger die Oberhand, doch auch hier kam es bald zu einer Veränderung. Politische und wirtschaftliche Stabilität Wie viele andere Staaten, die am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatten, litt Großbritannien unter den Kriegsfolgen. Allerdings kam es zu keinen Unruhen im Land, was auf die Stabilität der parlamentarischen Monarchie zurückgeführt werden kann. Auch gab es gewisse soziale Absicherungen in Form von Arbeitslosenversicherungen und auch Invalidenzahlungen für die vielen Kriegsversehrten. Möglich wurde dies unter anderem durch die Versorgung Großbritanniens mit Lebensmitteln und Rohstoffen aus den Kolonien des Empire. Die Hinwendung zum britischen Königshaus war ungebrochen und das parlamentarische System den Bürgerinnen und Bürgern bekannt. Das brachte ein gewisses Sicherheitsgefühl. Weder die kommunistischen noch die rechten Parteien hatten daher bei den Nachkriegswahlen nennenswerte Erfolge. Die Suche nach einer starken, autoritären Person in der Krise musste in Großbritannien nicht stattfinden. Politikwissenschafter Harold Gosnell über Abgeordnete im Dienst der Wähler/innen (1927) Zwischen den Wahlen sind in Großbritannien die Parteiagenten, die Parlamentsmitglieder [= Abgeordneten] und die voraussichtlichen künftigen Kandidaten des Parlaments mit dem sogenannten „Pflegen ihrer Wahlbezirke“ beschäftigt. Diese Tätigkeit ist unterschiedlich je nach den Bezirken, aber sie besteht im allgemeinen darin, daß der Kandidat und seine Helfer versuchen, mit so viel wie möglich Wählern in persönliche Berührung zu kommen. […] Der Kandidat oder voraussichtliche Kandidat muß bereit sein, seine Zeit, Geld und Energie in den Dienst seiner Wähler zu stellen […], zu vielen verschiedenen Anlässen Reden zu halten, Sportkämpfen beizuwohnen, eine offene Hand für die lokale Wohltätigkeit zu haben, und die Beamten der Ministerien in Angelegenheiten seiner Wählerschaft aufzusuchen. […]Die Häufigkeit allgemeiner Wahlen in England seit dem Krieg verstärkte diese Art von Aktivität und beschleunigte die politische Erziehung der neuen Wähler [Frauen nur eingeschränkt, Männer ab 21 Jahren unbeschränkt]. M1: Gosnell: Die Volksbeteiligung bei den englischen Wahlen, 1927, S. 255–256 (alte RS). Der Irland-Konflikt Eine Ausnahme in der vorwiegend stabilen Phase bildete das 1801 an Großbritannien angeschlossene Irland, in dem Unabhängigkeitsbestrebungen auch im 20. Jh. zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der britischen Armee führten. Die Rolle des Königshauses 1936 kam es zu einem politischen Eklat, als König Edward VIII. die Bürgerliche Wallis Simpson heiratete und deshalb abdanken musste. Sein Bruder folgte ihm als Georg VI. auf den Thron, woraufhin sich die Unruhe in der Bevölkerung legte. Die Einstellung Edwards VIII. zu Adolf Hitler war uneindeutig gewesen. Die klar wahrnehmbare Reserviertheit Georges VI. und seiner Frau Elizabeth gegenüber dem Deutschen Reich wurde von der britischen Bevölkerung positiv aufgenommen und positionierte England auch von Seiten des Königshauses als Gegner Hitlers. Chamberlains „Beschwichtigungspolitik“ Bereits 1936 hatte Neville Chamberlain als Schatzkanzler die Politik der Nichtintervention im Spanischen Bürgerkrieg unterstützt (s. S. 20). 1937 wurde er Premierminister und einer seiner wichtigsten politischen Vorsätze war der Erhalt des Friedens in Europa. Er verfolgte diese Absicht mit der „Appeasementpolitik“ gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland (s. S. 81). Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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