22 2.5 Faschismus in Italien Krisen nach dem Ersten Weltkrieg Als Entente-Macht stand die parlamentarische Monarchie Italien nach dem Ersten Weltkrieg auf der Siegerseite. Das Land stürzte trotzdem in eine schwere wirtschaftliche und soziale Krise, die Gründe dafür waren vielfältig: Die vielen gefallenen Soldaten fehlten in den Familien und als Arbeitskräfte, die zahlreichen heimgekehrten Invaliden mussten auf Staatskosten versorgt werden, der Wirtschaftsfaktor Rüstungsindustrie fiel weg, es musste in den Wiederaufbau investiert werden und es gab eine hohe Inflation (= Geldentwertung, s. S. 36). Der „verstümmelte Sieg“ Viele Italiener/innen waren außerdem unzufrieden, weil ihr Land in den Friedensverträgen von 1919 nur kleine Gebiete zugesprochen bekommen hatte. Dies wurde als „verstümmelter Sieg“ bezeichnet. Durch die 1919 geschlossenen Friedensverträge kamen zwar Julisch-Venetien, Triest, Istrien und das Trentino mit Südtirol zu Italien, andere geforderte Gebiete wie zum Beispiel Rijeka an der dalmatinischen Küste jedoch nicht. Diese Situation förderte nationale Strömungen. Angst vor einer Revolution 1919 errang die sozialistische Partei bei den Parlamentswahlen die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Ihr Wahlversprechen, die schlechten wirtschaftlichen und sozialen Umstände vor allem für die Arbeiter/innen zu verbessern, konnte sie nicht einlösen. Es kam zur Besetzung von Fabriken und zu Streiks, mit denen die Gewerkschaften und Arbeiter/innenorganisationen zumindest auf regionaler Ebene einige Reformen durchsetzen konnten. Industrielle und Großgrundbesitzende, aber auch Handwerker und Gewerbetreibende der Mittelschicht bekamen Angst vor einer sozialistischen Revolution, die zu einer klassenlosen Gesellschaft und dadurch zum Verlust ihres Besitzes und Vermögens führen könnte. Daher sehnten sie sich nach einer politischen Kraft, die ihre Interessen vertrat. Mussolini betritt die politische Bühne Benito Mussolini wurde 1883 als Kind einer Volksschullehrerin und eines Schmieds geboren. Bevor er im Ersten Weltkrieg verwundet wurde, war er unter anderem als Lehrer und Journalist tätig. 1912 wurde er Chefredakteur der sozialistischen Zeitung „Avanti“, wurde aber entlassen, als er immer nationalistischer wurde und sich für den Ersten Weltkrieg aussprach. M1: Benito Mussolini posiert für die Anfertigung seiner Büste. Fotografie, um 1936 1919 gründete er in Mailand die „Faschistischen Kampfbünde“ (Fasci italiani di combattimento). Ihr erstes Parteiprogramm war noch von sozialistischen Anliegen geprägt, darunter das allgemeine Wahlrecht (auch für Frauen), die Einführung eines Achtstundentages für Berufstätige und die Garantie von Mindestlöhnen. Ihr Erkennungszeichen waren schwarze Hemden, weshalb sie auch „Schwarzhemden“ genannt wurden. Mitglieder der Gruppierung waren vor allem ehemalige Frontkämpfer, politisch Heimatlose, Nationalistinnen und Nationalisten, Kleinbürger/innen sowie Großgrundbesitzende und Industrielle. Strategie der Einschüchterung Politische Gegner/innen wurden durch Überfälle, Morde sowie Attentate auf Gebäude und Veranstaltungen eingeschüchtert. Das Feindbild waren Sozialistinnen und Sozialisten, Kommunistinnen und Kommunisten sowie die in Italien ansässige slawische und deutsche Minderheit. Die Deutschsprachigen in Südtirol sollten durch italienische Zuwanderung, die durch Arbeitsplätze in neuen Industriebetrieben geschaffen worden war, verdrängt werden. 1923 wurden schließlich deutschsprachige Schulen geschlossen und das Sprechen der deutschen Sprache wurde in den Jahren darauf eingeschränkt. Von der Bewegung zur Partei Um die Bewegung zu festigen, verwandelte Mussolini sie in eine Partei, die Partito Nazionale Fascista (PNF). Sie war dem Führer („Duce“), wie sich Mussolini nennen ließ, direkt unterstellt und militärisch ausgerüstet. Die Partei zog im Mai 1921 ins italienische Parlament ein. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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