19 Das Gulagsystem Die Gulags waren eine Erfindung Lenins, um „Klassenfeinde“ der Sowjetrepublik in abgegrenzten Lagern zu isolieren. Unter Stalin erreichte das System sein größtes Ausmaß und wurde ein wichtiges Element des Terrors. Die insgesamt 476 Lagerkomplexe mit Tausenden Einzellagern befanden sich vor allem in Sibirien. Die Aufgabe der Gulags war, das Industriewachstum des Landes voranzutreiben, indem z.B. Bodenschätze abgebaut und Straßen errichtet wurden. Goldförderung, Abbau von Kohle und Erzen sowie Holzarbeit erforderten harte körperliche Anstrengungen. Die Lebensbedingungen in den Gulags waren sehr schlecht. Die Menschen starben an Unterernährung, Erfrierungen, Verletzungen und Krankheiten sowie durch Strafmaßnahmen. Stalins Ende und Bilanz Stalin regierte bis zu seinem Tod 1953 als totalitärer Diktator über die Bevölkerung der Sowjetunion, er kontrollierte alle Bereiche ihres Lebens. Schätzungen gehen von bis zu 22 Millionen Toten aus, die durch Hungersnöte oder während der großen Säuberungen durch Deportationen oder Hinrichtungen zu Tode kamen. Eine genaue Zahl konnte jedoch bis heute nicht ermittelt werden. M6: Unbekannt: Die Melkerin Olga Akimovna Shalagins erhält den Lenin-Orden verliehen. Fotografie, Moskau, 8.3.1936 Obwohl die kommunistischen Reformen kurzfristig bei der Bevölkerung hohe Popularität erlangten (z. B. durch die Verteilung von Land an arme Bauern), gingen die Regime Lenins und Stalins als verbrecherisch in die Geschichte ein. „Säuberungen“ und Deportationen In den Jahren von 1936 bis 1938 fand unter der Führung der Geheimpolizei NKWD die sogenannte „Tschiska“ (dt. „Säuberung“) statt. Politische Gegner/innen aus allen Gesellschaftsschichten wurden massenweise verhaftet, in Schauprozessen zum Tode verurteilt oder in sogenannte Gulags deportiert, wo sie isoliert von der restlichen Bevölkerung Zwangsarbeit verrichten mussten. Oft reichte schon ein Verdacht für eine Verhaftung. Auch bei der Armee führte Stalin Säuberungen durch, vor allem in deren Führung. Dies wirkte sich auch aus, als die deutsche Armee 1941 Russland angriff und nun viele geeignete Personen fehlten, um den Angriff abzuwehren. Aus einer Anklageschrift eines Schauprozesses in Moskau vom 11. März 1938 Unser Volk fordert das eine: Zertretet das verfluchte Otterngezücht! Die Zeit wird vergehen, Unkraut und Disteln wird die Gräber der verhaßten Verräter überwuchern, die auf ewig von den ehrlichen Sowjetmenschen, dem ganzen Sowjetvolk geächtet sein werden. […] Wir, unser Volk, werden nach wie vor, geführt von unserem geliebten Führer und Lehrer – dem großen Stalin, den vom letzten Schmutz und Unrat der Vergangenheit gesäuberten Weg gehen, vorwärts und immer weiter vorwärts, dem Kommunismus entgegen. M7: Zehnter (Hg.): Reden und Dokumente des 20. Jahrhunderts, S. 200 (alte RS). Jetzt bist du dran: 1. Analysiere M1 in Bezug auf die Darstellung des Bolschewismus. Welche typischen Merkmale der Strömung lassen sich erkennen? Stelle auch einen Bezug zur Oktoberrevolution her. 2. Interpretiere auf Basis von M2, welche Meinung Lenin zu Stalin hatte. 3. Analysiere das Plakat M3. Überprüfe, inwiefern es (nicht) propagandistisch ist. 4. Arbeite mithilfe von M4 den Unterschied zwischen der Stalins Ansicht von „Sozialismus“ und der heutigen Bedeutung von „Sozialdemokratie“ heraus. 5. Beschreibe M5. Untersuche, inwiefern diese Darstellung (un)passend ist, um der Ereignisse zu gedenken. Diskutiere, welchen Stellenwert Statuen in Bezug auf die Erinnerungskultur eines Landes haben. 6. Abbildung M6 zeigt eine Verleihung des sowjetischen Lenin-Ordens. Ermittle durch Recherche, welche offiziellen Ehrungen man heute in Österreich für außergewöhnliche Leistungen bekommen kann. 7. Analysiere in M7 die sprachlichen Bilder in der Anklageschrift. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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