18 Doch dem Staat fehlte gut ausgebildetes Fachpersonal wie Techniker/innen, Ingenieurinnen und Ingenieure etc. Um nicht auf Fachkräfte aus dem Ausland oder politisch Andersdenkende zurückgreifen zu müssen, wurden junge Sowjets ausgebildet und damit die Klasse der „Intelligentsija“ geschaffen. Sie war im Vergleich zur Bauern- und Arbeiterschaft wohlhabend. Im Wirtschaftskonzept unberücksichtigt war die Konsumgüterproduktion. Deshalb blieb der allgemeine Lebensstandard der Bevölkerung niedrig. Stalinistische Agrarpolitik Eine schnelle Industrialisierung und Modernisierung des Agrarwesens benötigte einen zentral gelenkten Verwaltungsapparat. Stalin installierte diesen ab 1927, während sämtliche marktwirtschaftliche Ambitionen unterdrückt wurden. In der Überzeugung, dass sich durch große landwirtschaftliche Betriebe die Produktivität erhöhen würde, wurde ab 1928 die Zwangskollektivierung, also die Aufgabe privater Bauernhöfe und deren Zusammenschluss zu staatlichen Großbetrieben, angeordnet. Stalin über den Aufbau des Sozialismus in seiner Schrift „Zu den Fragen des Leninismus“ (1926) Was bedeutet die Möglichkeit des Sieges des Sozialismus in einem Lande? Das bedeutet die Möglichkeit, die Gegensätze zwischen Proletariat und Bauernschaft mit den inneren Kräften unseres Landes zu überwinden, die Möglichkeit, daß das Proletariat die Macht ergreifen und diese Macht zur Errichtung der vollendeten sozialistischen Gesellschaft in unserem Lande ausnutzen kann […]. M4: Zehnter (Hg.): Reden und Dokumente des 20. Jahrhunderts, S. 159 (alte RS). Eigentümer/innen größerer landwirtschaftlicher Betriebe waren bereits nach der Oktoberrevolution 1917 zwangsenteignet worden. Nun wurden die mittelgroßen und kleinen Bauernhöfe in den Dörfern zu Genossenschaften („Kolchosen“) zusammengeschlossen. Der Boden, landwirtschaftliche Geräte sowie Nutztiere wurden in die Kolchosen überführt, die Bauernschaft hatte kein Eigentum mehr. Die Kolchosen waren zwar offiziell selbstverwaltet, die Leitung war aber von der kommunistischen Partei vorgeschrieben. Gegenwehr kam aus der bäuerlichen Mittelschicht, also von Bäuerinnen und Bauern, die Lohnarbeiter/innen beschäftigten. Sie wurden abwertend als „Kulaken“ bezeichnet und stellten für Stalins Herrschaft eine Bedrohung dar. Unter dem Begriff „Entkulakisierung“, einer gezielten politischen Repressionskampagne gegen diese Bevölkerungsgruppe, wurden die Aufstände mit Gewalt niedergeschlagen. Es gab Massenerschießungen, ganze Familien wurden nach Sibirien deportiert. Die Dezimierung der Bauernschaft durch die brutalen Maßnahmen und rückständige, unrentable Geräte und Arbeitsweisen führten zu Nahrungsengpässen, die sich auch auf die Versorgung der Stadtbewohner/innen auswirkten. 1931 bis 1933 kam es zur größten Hungersnot der Sowjetunion. Schätzungen zufolge starben etwa 11 Millionen Menschen durch Stalins Landwirtschaftspolitik. „Holodomor“ – Massensterben durch Hunger Besonders betroffen waren die riesigen landwirtschaftlich genutzten Gebiete der Ukraine. In der Ukraine vermutete Stalin nationalistische Bewegungen, die sich gegen die Sowjetunion stellten. Wie in der gesamten Sowjetunion wurden Requirierungskommandos in die Dörfer geschickt, die neben Getreide auch Saatgut und Naturalien beschlagnahmten. Zusätzlich wurde die Ukraine (sowie der Nordkaukasus) von den anderen Staaten und Gebieten abgeriegelt, sodass die Menschen dem Hunger nicht mehr entkommen konnten. Gleichzeitig wurden bürgerliche Anhänger/innen nationaler Strömungen ermordet. M5: Vadim Ghirda: Monument für die Opfer des Holodomor, Fotografie 2024. Das ukrainische Wort „Holodomor“ bedeutet „Tötung durch Hunger“. Heldinnen und Helden der Arbeit Aber nicht nur mit Zwang versuchte man die Produktivität zu steigern, sondern auch mit Belohnung. Besonders erfolgreichen Personen wurde der Lenin-Orden, die höchste Auszeichnung der UdSSR, verliehen, z.B. (Fach-)Arbeiter/ innen, Wissenschafter/innen und Angehörigen des Militärs. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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