15 Gründung des Völkerbundes Der Völkerbund, mit Sitz in Genf, war ein Ergebnis der Pariser Friedenskonferenz. Das Ziel des Völkerbundes war es, internationale Konflikte zu lösen, bevor sie eskalierten, und die Mitgliedstaaten zur kontrollierten Abrüstung zu motivieren. Anstelle brutaler Kriegshandlungen sollten internationale Verhandlungen treten. Im Fall, dass ein Staat einen militärischen Konflikt beginnen würde, sollte der Völkerbund mittels Militär- und Wirtschaftssanktionen (= Strafmaßnahmen) eingreifen. Aus der Satzung des Völkerbundes (1919/1920) In der Erwägung, daß es zur Förderung der Zusammenarbeit unter den Nationen und zur Gewährleistung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit wesentlich ist, bestimmte Verpflichtungen zu übernehmen, nicht zum Kriege zu schreiten; in aller Öffentlichkeit auf Gerechtigkeit und Ehre gegründete internationale Beziehungen zu unterhalten; die Vorschriften des internationalen Rechtes, die fürderhin als Richtschnur für das tatsächliche Verhalten der Regierungen anerkannt sind, genau zu beobachten, die Gerechtigkeit herrschen zu lassen und alle Vertragsverpflichtungen in den gegenseitigen Beziehungen der organisierten Völker peinlich zu achten, nehmen die Hohen vertragschließenden Teile die gegenwärtige Satzung, die den Völkerbund errichtet, an. M3: Zehnter (Hg.): Reden und Dokumente des 20. Jahrhunderts, 1996, S. 110 (alte RS). Reichsminister Gustav Stresemann vor der Völkerbundversammlung (1926) Deutschland tritt mit dem heutigen Tag in die Mitte von Staaten, mit denen es zum Teil seit langen Jahrzehnten in ungetrübter Freundschaft verbunden ist, die zum anderen Teil im letzten Weltkrieg gegen Deutschland verbündet waren […] Der göttliche Baumeister der Erde hat die Menschheit nicht geschaffen als ein gleichförmiges Ganzes. Er gab den Völkern verschiedene Blutströme, er gab ihnen als Heiligtum ihrer Seele ihre Muttersprache, er gab ihnen als Heimat Länder verschiedener Natur. Aber es kann nicht der Sinn einer göttlichen Weltordnung sein, dass die Menschen ihre nationalen Höchstleistungen gegeneinander kehren und damit die allgemeine Kulturentwicklung immer wieder zurückwerfen. M4: Zehnter (Hg.): Reden und Dokumente des 20. Jahrhunderts, 1996, S. 160 f. (alte RS). Scheitern des Völkerbundes Die Groß- und Mittelmächte der Welt gehörten dem Völkerbund nicht bzw. nicht dauerhaft an. Obwohl US-Präsident Woodrow Wilson ein Verfechter der Idee war, traten die USA aufgrund eines Vetos im US-Senat der Organisation nie bei. Österreich war im Jahr 1920 aufgenommen worden und hatte 1922 aufgrund seiner wirtschaftlichen Notlage eine Völkerbundanleihe (= Kredit) erhalten, musste sich aber dafür zu einem staatlichen Spar- und Reformprogramm verpflichten. Deutschland trat dem Völkerbund im Jahr 1926 zwar bei, schied jedoch nach Hitlers Machtergreifung 1933 wieder aus. Im selben Jahr verließ auch Japan den Völkerbund, Italien folgte 1937. Russland (UdSSR) trat 1934 bei, wurde jedoch 1939 nach dem Angriff auf Finnland ausgeschlossen. Der Völkerbund konnte das japanische Eindringen in die chinesische Mandschurei (1931), den Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939, s. S. 20) und den Italienisch-Äthiopischen Krieg (1935–1936) nicht verhindern. Auch nicht die Besetzung Österreichs durch Hitler 1938 (s. S. 52). Ursachen für das Scheitern Für wichtige Beschlüsse galt das Einstimmigkeitsprinzip, weshalb Sanktionen oftmals wegen Eigeninteressen einzelner Staaten nicht durchgesetzt werden konnten. Beteiligte Staaten hatten bei Konflikten kein Stimmrecht. Es gab auch kein absolutes Kriegsverbot. Der Völkerbund wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelöst und von der UNO (engl. United Nations Organization) abgelöst. Jetzt bist du dran: 1. Recherchiere die 14 Punkte von Woodrow Wilson. Fasse jeden Punkt in einer übersichtlichen Tabelle mit wenigen Stichworten zusammen. Markiere jene Punkte, die für die Mittelmächte von besonderer Bedeutung waren. 2. Erörtere, welche Voraussetzungen für eine gemeinsame Friedensschlichtung und Friedenssicherung notwendig sind. 3. Erkläre den Ausdruck „Selbstbestimmungsrecht der Völker“. Interpretiere die Karikatur M2 und setze sie in Zusammenhang mit diesem Ausdruck. 4. Beurteile auf Grundlage von M1, warum der Vertrag von Versailles von vielen Deutschen kritisiert wurde. 5. Nenne jene Gründe, die dazu führten, dass der Völkerbund nicht auf Dauer Bestand hatte. 6. Fasse M4 in eigenen Worten zusammen. Beurteile auf Grundlage dessen, was du schon weißt, inwiefern Hitler ab 1933 gegen diese Punkte verstieß. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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