Alles Geschichte! 6, Schulbuch

97 Wegbereiter der Demokratie Der französische Adelige Charles de Montesquieu (1689– 1755), unter anderem ein Philosoph der Aufklärung, entwarf das Prinzip der Gewaltenteilung, auf dem heutige Demokratien basieren: Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung müssten voneinander getrennt sein und sich gegenseitig kontrollieren. Montesquieu über die Gewaltenteilung Es gibt in jedem Staat drei Arten von Vollmacht: […] Auf Grund der ersteren schafft der Herrscher oder Magistrat Gesetze auf Zeit oder für die Dauer, ändert geltende Gesetze oder schafft sie ab. Auf Grund der zweiten stiftet er Frieden oder Krieg, sendet oder empfängt Botschaften, stellt die Sicherheit her, sorgt gegen Einfälle vor. Auf Grund der dritten bestraft er Verbrechen oder sitzt zu Gericht über die Streitfälle der Einzelpersonen. M3: Montesquieu: Vom Geist der Gesetze, Buch 11, Kap. 6, 1977 (alte Rechtschreibung). Die gesetzgebende Gewalt (= Vollmacht) hatten nach Montesquieus Modell zwei gesellschaftliche Gruppen: der Adel und das Bürgertum, die jeweils in getrennten Versammlungen tagen sollten. Die Bürger sollten Abgeordnete bzw. Repräsentanten in die Volksvertretung wählen. Aus der nichtadeligen Bevölkerung sollte der Gerichtshof gewählt werden. Frauen wurde in diesem Modell kein Stimmrecht zugesprochen und sie durften auch nicht gewählt werden. Adelskammer (Sitze werden vererbt) Volkskammer (Repräsentanten des Volkes) Legislative (gesetzgebende Gewalt) Richter (kommen aus dem Volk) Judikative (Rechtsprechung) König (und seine Minister) Exekutive (ausführende Gewalt) M4: Gewaltenteilung nach Montesquieu Schriften entstehen und werden gelesen Unter anderem als Folge der Reformation, der kriegerischen Auseinandersetzungen der vorangegangenen Jahrhunderte und der damit verbundenen menschlichen Katastrophen waren nicht nur die Gelehrten, sondern auch viele Menschen in der Allgemeinbevölkerung bereit, die Erkenntnisse und Ideen der Aufklärung aufzunehmen. Vor allem das besitzende und gebildete Bürgertum griff sie mit Interesse auf. In Debattierclubs und bei privaten Zusammenkünften, sogenannten Salons, wurden die Ideen erörtert. Verbreitet wurden die aufklärerischen Grundsätze im 18. Jh. durch zahlreiche Schriften, z. B. durch Zeitschriften und Zeitungen. Es entstanden auch die ersten Enzyklopädien. Aufgeklärte Herrscher: Abschaffung der Folter, Bildung für alle und weitere Reformen Auch einige Herrscherpersönlichkeiten griffen die Ideen der Aufklärung auf (s. S. 58 ff.). In der Folge schaffte Preußenkönig Friedrich II. als erster europäischer Herrscher 1740 die Folter ab. In Österreich führte Maria Theresia das Volksschulwesen mit einer allgemeinen Unterrichtspflicht für alle Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren ein. Auch die Entwicklung zu dem, was wir heute unter einem souveränen Staat verstehen, vollzog sich im Laufe der Neuzeit. Am Beginn der Aufklärung lässt sich allerdings für Europa kein einheitliches Bild zeichnen, da sich die Ausgangslage in den einzelnen Ländern unterschied. Im absolutistischen Frankreich regierte der König mithilfe seiner Minister und eines Verwaltungsapparates, es gab keine Gewaltenteilung, während in England die Ideen der Aufklärung auf ein politisches System trafen, in dem das Parlament entscheidenden Einfluss hatte (s. S. 52). In Österreich setzten Maria Theresia und Joseph II. zwar einige Ideen der Aufklärung in ihren Reformen um (s. S. 59 f.), jedoch unter dem Motto: „Alles für das Volk, aber nichts durch das Volk.“ Jetzt bist du dran: 1. Analysiere M1 und beschreibe Lockes Vorstellung vom menschlichen „Naturzustand“. 2. Beschreibe und analysiere M2 in Bezug auf Statussymbole adeliger Höfe. 3. Analysiere M3 unter Zuhilfenahme des Schaubildes M4 und des Autorentextes. Recherchiere zu den drei Staatsgewalten in Österreich und vergleiche sie mit Montesquieus Modell. 4. Erörtere, welche Voraussetzungen für die Verbreitung der aufklärerischen Ideen im 18. Jh. gegeben waren. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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