96 2.2 Die Aufklärung Am Beginn der frühen Neuzeit hatten Gelehrte wie Kopernikus, Galilei und Newton durch ihre Erkenntnisse das Weltbild des Mittelalters grundlegend verändert. Wissenschaftler/innen lösten sich zunehmend von religiösen Vorstellungen. Die Ideen des Humanismus und der Renaissance wurden in der Aufklärung fortgeführt, einer politischen und philosophischen Bewegung im 17. und 18. Jh. Der Wahlspruch der Aufklärung: Sapere aude! „Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“, so fasste der deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724–1804) die wesentliche Idee der Aufklärung zusammen. Im 18. Jh. verbreiteten sich die Ideen der Aufklärung in Europa. Wichtige Themen waren die Freiheit des Denkens und die Möglichkeit der Menschen, Kritik an weltlichen und geistlichen Machthabern zu üben. Erkenntnis durch Denken oder Erfahrung? In den Wissenschaften wurden zwei gegensätzliche Richtungen begründet: Der Rationalismus geht davon aus, dass Erkenntnis allein durch Denken möglich ist. Für den Empirismus gründet das Wissen nur auf Erfahrung, d.h. auf Beobachtung und Sinneswahrnehmung. Ein Vertreter des Empirismus war der englische Arzt und Philosoph John Locke (1632–1704). Verfechter der Natur- und Menschenrechte Neu war in der Zeit der Aufklärung die Idee, dass jeder Mensch, allein aufgrund seines Menschseins, Rechte besitzt. So gestand Locke jedem Menschen von Natur aus Freiheit und Gleichheit zu. Jeder Mensch habe ein Recht auf Leben, Freiheit und Besitz. Locke über den Naturzustand der Menschen [Der Naturzustand der Menschen] ist ein Zustand vollkommener Freiheit, innerhalb der Grenzen des Gesetzes der Natur ihre Handlungen zu regeln und über ihren Besitz und ihre Persönlichkeit so zu verfügen, wie es ihnen am besten scheint, ohne dabei jemanden um Erlaubnis zu bitten oder vom Willen eines anderen abhängig zu sein. Es ist darüber hinaus ein Zustand der Gleichheit […]. Im Naturzustand herrscht ein natürliches Gesetz, das jeden verpflichtet. Und die Vernunft […] lehrt die Menschheit, […] daß niemand einem anderen, da alle gleich und unabhängig sind, an seinem Leben und Besitz, seiner Gesundheit und Freiheit Schaden zufügen soll. M1: Locke: Zwei Abhandlungen über die Regierung, II. § 4 und § 6, 1992, S. 201–203 (alte Rechtschreibung). Auch für den Schweizer Philosophen Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) stehen die natürlichen Rechte der Menschen über den Rechten des Staates. Umgesetzt wurde die Menschenrechtsidee der Aufklärung unter anderem in der amerikanischen „Virginia Bill of Rights“ von 1776 und in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der französischen Revolution 1789 (s. S. 100). Sklaverei: Widerspruch zum Naturrecht Anton Wilhelm Amo, von dem kein Bild existiert, wurde ungefähr 1700 in Westafrika geboren und kam 1704 als Sklave nach Europa. Ab dem 17. Jh. wurden Afrikaner/innen unter anderem als „exotische Statussymbole“ und Bedienstete an die europäischen Adelshöfe verschleppt. Amo gelangte vermutlich als ein solcher „Hofmohr“ an den Hof des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel. Amo wurde stark gefördert, er erhielt eine Schulbildung und begann 1727 als erster schwarzer Student in Halle Rechtswissenschaft zu studieren. Im Jahr 1734 wurde ihm an der Universität Wittenberg die Doktorwürde der Philosophie verliehen. Amo schrieb zahlreiche philosophische Texte und trat für die Rechte der in Europa lebenden Afrikaner/innen sowie für religiöse Toleranz gegenüber Jüdinnen und Juden ein. Er bezog sich dabei auf das Naturrecht im Sinne der Aufklärung, nach dem alle Menschen gleiche Rechte haben müssten. Amo stellte damit das Konzept der Sklaverei und die Diskriminierung aufgrund der Religion in Frage, fand jedoch kaum Gehör. M2: Jean François de Troy: Charlotte-Elisabeth von Bayern, Prinzessin von der Pfalz, Herzogin von Orléans. Gemälde, 1680. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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