78 KOMPETENZTRAINING 5.9 Bedingtheit eigener politischer Urteile erkennen, hinterfragen und ändern: Moderne Sklaverei Eigene politische Urteile und Überzeugungen in ihrer Bedingtheit (Interessen, Standortgebundenheit) erkennen sowie die Bereitschaft aufbringen, diese zu modifizieren und/oder zurückzunehmen Eigene politische Urteile und Überzeugungen sind stets gebunden an die persönliche Lebenswelt und Erfahrung, also an den eigenen Standort. Auch eigene Interessen und Anliegen können in politische Urteile und Überzeugungen einfließen. Insofern ist der Kern dieser Kompetenz, eigene (Teil-)Urteile und Überzeugungen kritisch zu hinterfragen und zu reflektieren, ob es weitere begründete (Teil-)Urteile gibt, die man noch nicht bedacht hat. Um die Bedingtheit bzw. die Einschränkungen eigener Urteile zu erkennen, kann es hilfreich sein, sich mit anderen Menschen auszutauschen und so eine andere Perspektive zu erfahren. Bedeutend und zugleich schwierig ist es, eigene Urteile und Überzeugungen auch ändern zu können. Menschen neigen dazu, von einem einmal festgelegten Standpunkt kaum mehr abzurücken. Es ist daher wichtig, eine offene Grundhaltung einzunehmen, die von dem Bewusstsein gekennzeichnet ist, mit den eigenen Urteilen und Überzeugungen stets auch falsch liegen zu können. Das bedeutet, sich selbst kritisch zu hinterfragen: Bin ich wirklich (noch) überzeugt von meinem Urteil oder suche ich stets nach neuen Argumenten, nur um nicht davon abrücken zu müssen? Bedingtheit eigener politischer Urteile erkennen, hinterfragen und ändern – so gehst du vor: − Beschreibe deine Lebenswelt und überlege, welche Erfahrungen du zum Thema des Urteils mitbringst. − Reflektiere, welche Interessen und Anliegen du hinsichtlich des Themas hast. − Hole hier zusätzliche Informationen ein und führe Gespräche mit Personen, die eine andere Überzeugung haben. − Nimm gegebenenfalls dein Urteil und deine Überzeugung zurück oder ändere sie in einem Teilbereich. Beim Begriff Sklaverei denken viele Menschen an in der Wüste schuftende Ägypter beim Bau der Pyramiden, an römische Sklavinnen und Sklaven, die sich zur Belustigung der Zuschauer/innen in Amphitheatern bekämpften oder wilden Tieren vorgeworfen wurden, oder an die rund elf Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner, die im Zuge des transatlantischen Sklavenhandels verschleppt wurden. Man müsste meinen, dass die Sklaverei, spätestens seit Mauretanien sie 1980 als letzter Staat verboten hatte, mittlerweile auf der ganzen Welt der Vergangenheit angehört. Doch weit gefehlt: Schätzungen zufolge sind heute in absoluten Zahlen mehr Menschen versklavt als jemals in der Geschichte zuvor, trotz des globalen Verbots. M2: Jean-Michel Clajot: „Slavery at sea“. Fotografie, 2015. Thailand ist der drittgrößte Produzent von Meeresfrüchten; die thailändische Fischindustrie beruht stark auf moderner Sklaverei. Definition moderner Sklaverei Moderne Sklaverei umfasst eine Reihe spezifischer juristischer Termini zu denen Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft, Zwangsheirat, Sklaverei und sklavereiähnliche Praktiken sowie Menschenhandel gehören. Zwar ist moderne Sklaverei selbst nicht von Gesetz wegen definiert, jedoch wird sie als Sammelbegriff verwendet, der die Aufmerksamkeit auf die Gemeinsamkeiten dieser rechtlichen Konzepte richtet. Im Wesentlichen bezieht sie sich auf Ausbeutungssituationen, denen sich eine Person aufgrund von Drohungen, Gewalt, Nötigung, Täuschung und/oder Machtmissbrauch nicht verweigern bzw. nicht entkommen kann. Beispielsweise weil ihr der Pass beim Aufenthalt in einem fremden Land entzogen werden würde, sie Gewalt erfahren oder mit dieser bedroht werden würde oder ihre Familie bedroht wäre. M1: Walk Free Foundation: The Global Slavery Index, 2018, S. 140, (übersetzt). Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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