Alles Geschichte! 6, Schulbuch

66 KOMPETENZTRAINING 5.3 Urteile auf ihre Begründung und Relevanz untersuchen: Der europäische Umgang mit Indigenen I Eigene und fremde Urteile und Teilurteile auf ihre Begründung und Relevanz hin untersuchen Diese Kompetenz umfasst eine Qualitätsprüfung von Urteilen – deinen eigenen Urteilen und Urteilen anderer Personen. Zur Erinnerung: Urteil bezieht sich hier nicht auf ein Gerichtsurteil, sondern meint eine begründete Stellungnahme zu einem Thema, eine Beurteilung. Ein Urteil stützt sich in der Regel auf verschiedene Teilurteile. Diese sind für das Gesamturteil unterschiedlich relevant. Das heißt, manche Teilurteile sind besonders bedeutsam, andere stützen den Standpunkt zwar, haben aber kein großes Gewicht. Jedes Teilurteil muss begründet werden. Eine solche Begründung baut nicht allein auf der eigenen Erfahrung oder auf persönlichen Emotionen auf, sondern auf wissenschaftlichen Untersuchungen, Fakten und/oder allgemein anerkannten Grundsätzen, sogenannten Werten. Die Begründung muss außerdem klar, nachvollziehbar und plausibel, also schlüssig sein. Eigene und fremde Urteile auf ihre Begründung und Relevanz untersuchen – so gehst du vor: − Arbeite zunächst einzelne Teilurteile aus dem Urteil heraus. − Beurteile, welche Teilurteile eine hohe und welche eine geringere Relevanz (= Bedeutung) für das Gesamturteil haben. − Ermittle die wissenschaftlichen Untersuchungen, Fakten und/oder Werte, auf denen die Teilurteile gründen. − Überprüfe, ob die Begründung der einzelnen Teilurteile klar, nachvollziehbar und schlüssig ist. − Überprüfe abschließend, ob die Begründung des Gesamturteils durch die Teilurteile nachvollziehbar und schlüssig ist. Das Thema für dieses und das nächste Kompetenzkapitel (s. S. 68) ist der europäische Umgang mit der indigenen, d.h. ursprünglichen Bevölkerung. Zu Beginn der Neuzeit wurde darüber in Spanien und in den neu eroberten Gebieten heftig diskutiert. Empfehlungen des Kolumbus Ich bin überzeugt, daß all diese Leute gute Christen würden, sobald fromme und gläubige Männer ihre Sprache beherrschen werden. Deshalb hoffe ich zu Gott, daß Eure Hoheiten sich baldigst dazu verstehen werden, derartige Männer hierher zu senden, um so große Völker zu bekehren und dem Schoß der Kirche einverleiben zu können, nicht anders wie jene Völker vernichtet worden sind, die sich nicht zur Dreieinigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist bekennen wollten. […] Daher müssen Eure Hoheiten den Entschluß fassen, aus ihnen Christenmenschen zu machen. Wenn einmal der Anfang gemacht ist, so werden binnen kurzer Zeit eine Unmenge von Völkern unserm Glauben gewonnen sein, während gleichzeitig Spanien große Gebietsteile und ansehnliche Reichtümer erwerben wird. Letzteres behaupte ich aus der Erwägung, daß in diesen Ländern ohne jeden Zweifel große Goldmengen vorhanden sein müssen. M1: Jacob: Christoph Columbus. Bordbuch, Briefe, Berichte, Dokumente, 1957, S. 120 und 122 (alte RS). Häufig vorgebrachte Gründe, die das Vorgehen der spanischen Krone rechtfertigen sollten, lauteten so: Aus einer Streitschrift über die Rechtfertigungen der Eroberungen (1544/1545) Da, so lautet das erste Argument, die Indianer ihrer Natur nach Sklaven, Barbaren, rohe und grausame Gestalten sind, lehnen sie die Herrschaft der Klugen, Mächtigen und Vortrefflichen ab, anstatt sie zu ihrem eigenen Besten zuzulassen […]. Als zweiten Grund hast du [der Autor fasst hier seine eigenen Argumente in einem fiktiven Dialog zusammen, Anm.] angeführt die Ausrottung des entsetzlichen Verbrechens, Menschenfleisch zu verzehren, was ganz besonders der Natur zuwider ist, und weiter die Vermeidung, daß an Stelle Gottes Dämonen angebetet werden, was insbesondere den göttlichen Zorn hervorruft, vor allem in Verbindung mit jenem ungeheuerlichen Ritus, Menschen als Opfer darzubringen. […] An vierter Stelle hast du auf den Umstand hingewiesen, daß die christliche Religion bestimmt ist, sich überallhin, wo sich Gelegenheit bietet, mittels Predigt des Evangeliums zu verbreiten […]. M2: Konetzke: Lateinamerika seit 1492, 1971, S. 8–9 (alte RS). Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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