Alles Geschichte! 6, Schulbuch

58 Friedrich II. zur Frage, ob ein Herrscher allein regieren soll (1768) Der Grundsatz ist offenbar und handgreiflich: der Herrscher hat die Pflicht und muß sich bemühen, selbst zu regieren. Er soll an der Spitze aller Regierungszweige stehen, vor allem seine Truppen im Kriege selbst führen. Es ist sein Vorteil und der seines Volkes, wenn er dies tut. Auf die Dauer werden die Herrscher, die am fleißigsten, beharrlichsten, systematischsten und in ihren Grundsätzen am unerschütterlichsten sind, den Sieg über ihre Nachbarn davontragen, die ihre Geschäfte nur oberflächlich behandeln und die Zügel der Regierung ihren Ministern überlassen. Denn wie ich wohl schon sagte, bedarf es eines Mittelpunktes, in dem alle Fäden der Regierung zusammenlaufen. Führt nicht alles zum gleichen Zweck, arbeitet nicht alles auf das gleiche Ziel hin, so wird es stets Mängel in der Regierung geben, sei es im Heerwesen, in den Finanzen oder in der äußeren Politik. […] In einem Staate wie Preußen ist es durchaus notwendig, daß der Herrscher seine Geschäfte selbst führt. Denn ist er klug, wird er nur dem Staatsinteresse folgen, das auch das seine ist. Ein Minister dagegen hat, sobald seine eigenen Interessen in Frage kommen, stets Nebenabsichten. Er besetzt alle Stellen mit seinen Kreaturen, statt verdienstvolle Leute zu befördern, und sucht sich durch die große Zahl derer, die er an sein Schicksal kettet, auf seinem Posten zu befestigen. M2: Friedrich der Große: Aus den Politischen Testamenten. Online auf: https://www.projekt-gutenberg.org (10.10.2022). Friedrich II. in der historischen Bewertung Friedrich gilt als aufgeklärter Monarch, der arbeitsam war, auf Prunk in der Hofhaltung verzichtete und Sparsamkeit vorlebte. Im Gegensatz zu Darstellungen anderer Monarchinnen und Monarchen seiner Zeit, sind Darstellungen Friedrichs II. oftmals von Schlichtheit geprägt. Die neuere Forschung hat jedoch gezeigt, dass dies vor allem Teil seiner Inszenierung war. Sammlungen von Rechnungen und Kontoauszügen zeigen hohe Ausgaben für persönliche Vorlieben und Hofhaltung, allerdings war man stets bemüht, diese Ausgaben geheim zu halten. Kritisiert wird außerdem Friedrichs expansive Außenpolitik. Während eines Großteils seiner Herrschaft war Preußen in verlustreiche Kriege verwickelt. Aus diesen ging der Staat zwar siegreich hervor, allerdings ließen sehr viele Soldaten ihr Leben auf den Schlachtfeldern. Russland: Ein Imperium entsteht Die Dynastie der Romanows ist mit dem Aufstieg Russlands und Reformen im Sinne der Aufklärung verbunden. Die Romanows herrschten in Russland vom 17. Jh. bis zum Ende des Zarenreichs 1917. Zu einem Großreich stieg Russland im 18. Jh. auf. Unter der Herrschaft von Peter I., der ebenfalls den Beinamen „der Große“ trägt, zwischen 1682 und 1725 wurde Russland nach den Konzepten der absolutistischen Monarchien in Europa gestaltet und modernisiert. Er führte zum einen Reformen durch, um die Verwaltung effizienter zu machen. Zudem förderte er, orientiert am Merkantilismus, den Bau von Manufakturen und damit die Wirtschaft. Auch das Heer und die Flotte wurden modernisiert, um der Konkurrenz aus Schweden militärisch nicht unterlegen zu sein. Aus Europa warb er Fachkräfte ab, die den Staat nach den „europäischen Standards“ modernisieren sollten. Von seinen Untertanen wünschte sich Peter I., „westlicher“ auszusehen. Die Einführung einer Bartsteuer sollte Männer dazu bewegen, sich ihre traditionell langen Bärte zu rasieren, und Peter I. förderte das Tragen westlich-europäischer Kleidung. Mit der russischen Kirche, die viele Reformen ablehnte, geriet er in Konflikt. Seine Herrschaft war von einem brutalen und autokratischen Stil geprägt, weshalb er trotz seiner Reformen nicht zu den aufgeklärten Monarchen zählt. Katharina II. – Autokratie und Aufklärung Die Herrschaft von Katharina II. zwischen 1762 und 1796 beendete die innen- und außenpolitisch unruhigen Zeiten nach der Regentschaft Peters I. Neben Reformen im Bereich der Verwaltung förderte Katharina „die Große“ die Bildung der Bevölkerung durch die Errichtung von Volksschulen und Gymnasien, die kostenlos besucht werden konnten. Wie Friedrich II. suchte sie – zumindest durch Briefverkehr – die Nähe zu Gelehrten der Aufklärung wie Voltaire und Diderot. Obwohl sie in historischen Publikationen oftmals zu den Vertretern/Vertreterinnen des „aufgeklärten Absolutismus“ gezählt wird, war ihr Herrschaftsstil autokratisch und gegenüber ihren Untertanen brutal. Aufstände, wie jene der ukrainischen Bauern 1773/74, ließ sie gewaltsam niederschlagen. Ihre Grundidee von Herrschaft war nicht, „Dienerin des Staates“ zu sein, sondern setzte eine gottgewollte Kaiserwürde voraus. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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