55 Der Herzog von Saint-Simon 1709 über eine Zwangsaushebung durch König Ludwig XIV. in Frankreich Die Menschenverluste [in den Kriegen] in Deutschland und Italien waren sehr groß, und es starben mehr verwundete in den Hospitälern als Soldaten auf den Schlachtfeldern, so daß es [1706] notwendig wurde, […] eine Aushebung von fünfundzwanzigtausend Mann durchzuführen. Das zeitigte in den Provinzen den Ruin und tiefste Trostlosigkeit. […] [Ich wusste], welche Verzweiflung diese Aushebung hervorrief. Das ging so weit, daß zahllose Männer sich selbst verstümmelten, um diesem Schicksal zu entgehen. Sie schrien und klagten, man führe sie ins Verderben; und tatsächlich schickte man sie fast alle nach Italien, von wo kein einziger je zurückkam. M4: Saint-Simon: Memoiren, 1985, Bd. 2, S. 33 (alte Rechtschreibung). Zentrale Herrschaft und Verwaltung Auch die Verwaltung wurde zentralisiert. Die Beamten kamen oftmals aus dem Bürgertum, sie waren dem Monarchen direkt unterstellt und ihm zur Loyalität verpflichtet. Dieser Beamtenapparat übernahm zum Teil die Funktionen, die zuvor Adelige innehatten. Insgesamt wurde der Einfluss des Adels zugunsten des Monarchen zurückgedrängt. Dass sogar Minister, wichtige Berater des Herrschers, aus dem Bürgertum kamen, erzeugte zum Beispiel beim entmachteten französischen Adel Unmut. Staatsreligion als Stütze der Herrschaft Über dem Herrscher stand nur noch Gott, weshalb die Kirche in den Staat und in die Verwaltung eingebunden wurde. Dieses Konzept einer Staatsreligion hatte für religiöse Minderheiten bzw. andere Konfessionen problematische Folgen. So versuchte beispielsweise König Ludwig XIV. in Frankreich die Hugenotten (= französische Calvinisten) durch Gesetze, die z.B. die Berufswahl einschränkten, und schließlich durch das Verbot der Konfession zur Rückkehr zum Katholizismus zu bewegen. Der Hof im Barock Die Kunst- und Kulturepoche des Barock fällt mit der Blütezeit des Absolutismus im 17. und frühen 18. Jh. zusammen. Ein zentrales Merkmal des Absolutismus war die prunkvolle Ausgestaltung des höfischen Lebens in Schlossanlagen, die dafür errichtet wurden. Der Herzog von Saint-Simon 1709 über Protest gegen eine Steuer auf Taufen und Hochzeiten in Frankreich Dieser Erlaß [aus 1707] war sehr einschneidend und erregte viel Anstoß. […] Die Armen und viele anderen kleinen Leute tauften ihre Kinder selber, ohne sie in die Kirche zu bringen, und verheirateten sich aufgrund gegenseitigen Einverständnisses am häuslichen Kamin, wenn sie nirgends einen Priester fanden, der sie bei sich zu Hause und ohne Formalitäten verheiraten wollte. Es gab keine Taufregister mehr, keine Gewißheit über die Taufen und folglich keine Kontrolle über die Geburten, keinen Zivilstand für die Kinder, die aus dieser Art Heiraten stammten. Man traf also die strengsten Maßnahmen gegen solch schädliche Steuerhinterziehung, das heißt, man verdoppelte die Vorkehrungen […] und die Härte, um zur Zahlung dieser Steuer zu zwingen. Von dem öffentlichen Unmut und dem Murren ging man an einigen Orten zur Selbsthilfe über; das führte so weit, daß zum Beispiel in Cahors zwei Bataillone, die dort lagen, die bewaffneten Bauern kaum hindern konnte, sich der Stadt zu bemächtigen […]. Am Ende mußte man diese Steuer auf Taufen und Hochzeiten fallenlassen […]. M3: Saint-Simon: Memoiren, 1985, Bd. 2, S. 81–82 (alte Rechtschreibung). Der dritte Stand im Absolutismus Die Unterteilung der Gesellschaft in Stände verlor langsam an Bedeutung. Vermögende städtische Bürger, z.B. Kaufleute und Unternehmer, versuchten, in ihrer gesellschaftlichen Stellung zum Adel aufzuschließen oder Adelstitel zu kaufen. Der Großteil der Bevölkerung aber lebte in Armut, wie Handwerker/innen, Straßenhändler/innen und Tagelöhner, Wanderarbeiter/innen zogen auf der Suche nach Arbeit durch das Land. Die Bauernschaft lebte meist auf kleinen Pachthöfen und war häufig aufgrund von Missernten, Abgaben an die Grundbesitzer und Steuern an den König verschuldet. Das Heer im absolutistischen Staat Neben der starken Stellung des Monarchen, fallweise gab es eine Monarchin, war eine absolutistische Herrschaft auf ein stehendes Heer gestützt. Das Heer stand somit anders als die Söldnerheere im Dreißigjährigen Krieg jederzeit zur Verfügung. Es konnte rasch gegen innere und äußere Bedrohungen eingesetzt werden, war in der Erhaltung allerdings teuer, da die Soldaten permanent versorgt, bezahlt und ausgerüstet werden mussten. Das Heer sicherte die Macht des Herrschers, es diente der gewaltsamen Expansion nach außen und – gemeinsam mit der Polizei – der Unterdrückung der Bevölkerung im Inneren. Die Rekrutierung der Soldaten für das stehende Heer erfolgte vor allem durch Zwangsrekrutierungen am Land und in den Städten. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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