Alles Geschichte! 6, Schulbuch

46 3.7 „Hexen“ und „Zauberer“ in der Lebenswelt der Menschen Seit den ersten Hochkulturen ist der Glaube an eine übernatürliche Lebenswelt in allen Gesellschaftsschichten belegt. Das Verbot von Schadzaubern findet sich in alten Rechtsschriften und im Alten Testament, bis zum Ende des Mittelalters gab es aber keine gezielte Verfolgung bei vermutetem Schadzauber. Wende zur Neuzeit: Der Hexenhammer 1487 veröffentlichte der Dominikanermönch Heinrich Kramer das Buch „Der Hexenhammer“, in dem er die Verfolgung von Hexen und Hexern forderte und begründete. Dabei stellte er Frauen als besonders anfällig für Dämonen dar. Kramer unterschied zwischen Hexen und Hexern, die Umgang mit dem Teufel pflegen, und Zauberinnen und Zauberern, die Schadzauber wirken. In weiterer Folge setzte in Europa und auch in den Kolonien in Amerika eine Welle von Prozessen gegen Menschen ein, die der Zauberei beschuldigt wurden. Die Gesetzgebung zur Zauberei Auszüge des Hexenhammers wurden zwar bei Urteilsbegründungen verwendet, die Prozesse wurden aber auf Grundlage der weltlichen Gesetzbücher durchgeführt. Die 1532 von Kaiser Karl V. erlassene Constitutio Criminalis Carolina, auch Peinliche Halsgerichtsordnung genannt, war das erste allgemeine Strafgesetzbuch im Heiligen Römischen Reich und behandelte in fünf Punkten den Strafbestand der Zauberei. War eine Person durch Zauberei zu Schaden gekommen, wurde als Strafe Tod durch Feuer verhängt. Es folgten weitere Gerichtsordnungen zur Zauberei. Durch erhaltene Gerichtsprotokolle können der Ablauf und die Todesurteile einiger Prozesse genau nachvollzogen werden. Die heutige Forschung geht von etwa 60 000 Verurteilten in ganz Europa aus, wobei es sich mehrheitlich um Frauen handelte. Regional zeigen sich große Unterschiede, in manchen Gebieten fanden kaum Hexenprozesse statt, in anderen traf es vorrangig Männer. Gründe für den Anstieg der Hexenprozesse War es in einer Region zu einem Zaubereiprozess gekommen, folgten oftmals weitere Prozesse. Der Hauptgrund dafür war, dass viele Angeklagte unter den Schmerzen der Folter die Namen von weiteren angeblichen Hexen und Hexern nannten. Weitere Ursachen waren Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten, nachbarschaftlicher Neid sowie soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten durch Kriege, Missernten und die klimatischen Veränderungen aufgrund der kleinen Eiszeit (s. S. 12 f.). Die Salzburger Zauberer-Jackl-Prozesse Wie sich eine Verfolgungswelle aufbauen konnte, machen die sogenannten Zauberer-Jackl-Prozesse (1675-1679) deutlich. Der Auslöser war die Verhaftung der fünfzigjährigen obdachlosen Barbara Koller wegen Diebstahlsverdachts. Im Verhör unter Folter beschuldigte sie ihren Sohn Jakob, genannt Jackl, der Zauberei. Jakob, der angeblich eine große Gruppe von Bettlerkindern anführte, konnte nie gefasst werden, aber bis 1690 wurden etwa 200 Menschen, fast ausschließlich aus der sozialen Unterschicht, verhaftet und verhört. Etwa 140 Menschen wurden hingerichtet. Die Opfer waren hauptsächlich nicht aus dem Erzbistum stammende männliche Kinder und Jugendliche, wobei das jüngste Opfer erst 10 Jahre alt war. Diese Verfolgungswelle war gezielt gegen sozial benachteiligte Bettler/innen gerichtet. Der Prozess gegen Johannes Keplers Mutter Der Verdacht der Zauberei konnte aber auch auf bürgerliche und adelige Personen fallen. Ein Beispiel ist die verwitwete 68-jährige Mutter des kaiserlichen Hofastronomen Johannes Kepler. Sie wurde nach einem Streit mit einer Nachbarin von dieser angezeigt. Die Klägerin gab an, Katharina Kepler habe ihr einen Trank gegeben, durch den sie erkrankt sei. M1: Martin le Franc: Hexenflug auf dem Besen. Aus: „Le champion des Dames“. Buchmalerei, 1451 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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