Alles Geschichte! 6, Schulbuch

37 Das Grundübel des Osmanischen Reiches Das Grundübel des Osmanischen Reiches lag aber weniger im Verfall seines Militärwesens als in der Zweiteilung der Gesellschaft in Moslems und Nichtmoslems bzw. in Herrschende (Steuerbefreite) und Beherrschte (steuerpflichtige Untertanen, genannt raya = Herde). Zwar hatten die Türken als erobernde Elite eine einheitliche Staatsreligion, Staatskultur und Staatssprache für das Vielvölkerreich geschaffen, doch bewirkten ihre religiöse Toleranz, ihre nationale Gleichgültigkeit und ihr ökonomisches Desinteresse, daß sie – anders als die Araber im Frühmittelalter – nichts zur wissenschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung der unterworfenen Völker beitrugen. M2: Buchmann: Österreich und das Osmanische Reich, 1999, S. 106 (alte Rechtschreibung). „Alla turca“ – eine neue Mode entsteht Nachdem die militärischen Erfolge des habsburgischen Heerführers Prinz Eugen von Savoyen die „Türkengefahr“ verringert hatten, kam es zu einer neuen Wahrnehmung der Osmanen und zu einer Begeisterung für die „orientalische“ Kultur. 1685 wurde in Wien die erste Konzession für ein Kaffeehaus erteilt. In der Musik sollte der Stil „alla turca“ die Musik der Janitscharen, der Elitetruppe des osmanischen Heeres, imitieren. Mozart fügte in der Oper „Die Entführung aus dem Serail“, deren Handlung im Orient spielt, sogenannte „türkische Musik“ ein. Auch in der bildenden Kunst wurden orientalische Motive abgebildet. Ab dem 18. Jh. ist auch ein Einfluss auf die Mode feststellbar: Die „robe á la turque“, eine Robe nach türkischem Schnitt, wurde salonfähig. Vom Osmanischen Reich zum Staat Türkei Im Laufe des 19. Jh. verlor das Osmanische Reich große Gebiete am Balkan. Einerseits führten nationale Ideen zu Unabhängigkeitsbewegungen in Serbien und Griechenland, anderseits führten kriegerische Konflikte zu Gebietsverlusten in Rumänien und Bulgarien (s. S. 140 f.). Um die Lage zu stabilisieren, führten die osmanischen Herrscher im 19. Jh. Reformen durch. Sie modernisierten das Heer, setzten Schritte zur Gleichstellung der nichtmuslimischen mit der muslimischen Bevölkerung, führten ein Steuersystem ein und proklamierten eine erste Verfassung. Dennoch konnten sie ihr Reich nicht dauerhaft festigen. Anfang des 20. Jh. verschlechterten Missernten die wirtschaftliche Lage und es drohte ein innerstaatlicher Konflikt zwischen den Anhängern der politischen Bewegung der „Jungtürken“ und dem osmanischen Militär. M3: Badischer Hofmaler, Der „Türkenlouis“, Porträt des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden-Baden im türkischen Gewand. Gemälde, um 1700 1914 trat das Osmanische Reich an der Seite seiner ehemaligen Gegner Österreich-Ungarn und Deutschland in den Ersten Weltkrieg ein. 1918 gehörte es zu den Kriegsverlierern und musste in den Friedensschlüssen weitere Gebiete abgeben. Reformen von Mustafa Kemal, der aufgrund seiner Verdienste den Beinamen Atatürk erhielt, führten zu einem neuen Staat nach europäischem Vorbild. 1923 wurde die Republik Türkei als Nachfolgestaat des Osmanischen Reichs gegründet. Jetzt bist du dran: 1. Beschreibe und analysiere Abbildung M1. Erkläre die im Bild dargestellte Botschaft. 2. Analysiere M2 und arbeite heraus, welche Faktoren ausschlaggebend für den Niedergang des osmanischen Reiches waren. 3. Analysiere das Gemälde des „Türkenlouis“ (M3) und beschreibe Ludwig Wilhelm von Baden-Baden. Formuliere mögliche Motive des Herrschers, sich in türkischer Tracht abbilden zu lassen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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